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George Orwell

»Freiheit ist vor
allem das Recht,
anderen Leuten zu sagen, was sie
nicht hören wollen.«

Leitartikel
Zum »Frauen-Daten-Report«

Weniger ist
oft
viel mehr


Von Rolf Dressler
Siehe da, in Sachen Hochschulreife also hat Deutschlands Weiblichkeit die jungen Herren der Schöpfung bereits abgehängt. Tendenz anhaltend. Nach dem Erhebungsstand 2004 schlossen 40,6 Prozent aller 25- bis 30-jährigen Frauen die Schule mit dem Abitur ab, aber nur (noch) magere 37,8 Prozent der gleichaltrigen Männer.
Schon auf der Überholspur befindet sich das weibliche Geschlecht zudem bei den erfolgreich Studierenden: In dieser Bildungs-Schlüsseldisziplin lagen die Männer 2004 zwar noch mit Ach und Krach in etwa gleichauf mit den jungen Frauen. Doch, wer weiß, womöglich haben bereits 2005 unter dem Strich mehr Studentinnen als Studenten ein Hochschulabschluss-Zertifikat in der Tasche.
Eigentlich, ja, eigentlich müsste, sollte, könnte das als erfreuliches Wegezeichen gedeutet und demgemäß begrüßt werden. Schließlich arbeitet die versammelte Politik seit Jahrzehnten mit Feuereifer auf das Kernziel der vollen Teilhabe auch der Frauen an Bildung und Berufstätigkeit hin.
Doch anstatt Zufriedenheit und Genugtuung, wenn schon nicht schlicht Freude über das Erreichte zum Ausdruck zu bringen, üben die Urheber des neuesten »Frauen-Daten-Reports« der SPD-nahen Hans-Böckler-Stiftung sogleich wieder düstere Systemkritik: Das Gehaltsgefälle zwischen männlichen und weiblichen Berufstätigen werde »durch Diskriminierung« zementiert, behauptet jedenfalls rundheraus Institutssprecherin Astrid Ziegler.
Unschwer zu erraten, auf wen dieses mächtig donnernde Geschütz gerichtet ist. Gemeint sind offenbar - unausgesprochen zwar, dafür jedoch umso forscher und pauschal - wieder einmal »die« (bösen) Arbeitgeber und »die« Unternehmer. Eine wohlfeile Stimmungsmacher-Schelte, die freilich gern ausgeteilt wird, um billigen Beifall zu erheischen. Dergleichen kommt an bei Teilen des Publikums, ist einer redlich-fairen Erörterung aber hinderlich.
Folglich dürften viele eine keineswegs neue, aber umso wichtigere Grunderkenntnis auch des aktuellen Frauen-Daten-Reports kaum wahrnehmen: dass sich »am Übergang zum Beruf eine Weichenstellung für die später schlechte Position am Arbeitsmarkt vollzieht«. Im Klartext: Viele Frauen studieren (aus eigenem Entschluss) Fächer, die späterhin weniger gute Bezahlung versprechen.
Schon dies belegt anschaulich, dass man die leider beliebte Keule »Diskriminierung« nie vorschnell schwingen sollte. Sie taugt hier ebensowenig wie das modische Hantieren mit Superlativen des Schreckens wie »Europa vergreist« oder »Sozialstaat Deutschland bankrott«. Undsoweiter, undsofort.
Apropos »Pisa-Bildungsruine Kennzeichen D«! Soeben hat der Präsident des Nordrhein-Westfälischen Lehrerverbandes, Peter Silbernagel, eine »Klimakatastrophe« (!) nun auch noch an unseren Schulen ausgerufen.
Wer bietet weniger? Nur Mut, bitte, melden.

Artikel vom 20.12.2005