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Zwei Polizisten
vor Gericht

Aus Wut Passanten misshandelt?

Von Jens Heinze
Bielefeld (WB). In Bielefeld stehen zwei Polizeibeamte vor Gericht. Die Kommissare sollen einen Passanten (34) zusammengeschlagen haben.
Zusammengeschlagen: Opfer Michael D.
Prozessauftakt in Bielefeld: Verteidiger Mirko Roßkamp mit den Angeklagten Mike S. und Ralf K. (v.l.). Fotos: Büscher/Heinze

Gestern begann vor dem Amtsgericht der Prozess gegen die 33 und 38 Jahre alten Beamten. Sie waren bei der Tat zufällig von zwei anderen Polizisten beobachtet worden, die eine verdeckte Ermittlung gegen EC-Karten-Diebe durchführten. Diese beiden Polizisten belasteten gestern ihre beiden Kollegen schwer.
Oberstaatsanwalt Horst Rürup wirft den beiden Angeklagten - Ralf K. vom Spezial-Einsatz-Kommando (SEK) sowie Mike S. von der Bereitschaftspolizei Bielefeld - gefährliche Körperverletzung vor.
Opfer Michael D. (34) hatte beim Übergriff in der Nacht zum 20. Mai dieses Jahres in der Bielefelder Fußgängerzone erhebliche Verletzungen vor allem an Kopf und Oberkörper erlitten.
Zu Prozessauftakt stand gestern Aussage gegen Aussage - die Angeklagten und das mutmaßliche Opfer, ein polizeibekannter ehemaliger Drogenabhängiger, beschuldigten sich gegenseitig. Laut Erklärung der beiden Kommissare waren sie in besagter Mainacht gegen 2.10 Uhr leicht alkoholisiert in ihrer Freizeit unterwegs, um nach einer Schlägerei in einer Disko im Bielefelder Bahnhofsviertel die flüchtigen Täter zu suchen. Bei der »Blaulichtparty« - dort feiern Polizisten, Feuerwehrmänner und Krankenhauspersonal - seien Kollegen angegriffen und verletzt worden.
In der Bielefelder Fußgängerzone kam es dann zu nächtlicher Stunde zwischen Sparkassenfiliale und Parkhaus zum Zusammentreffen der späteren Angeklagten
mit Michael D. Wie Ralf K. und Mike S. übereinstimmend erklärten, habe der Bielefelder Drogen von ihnen kaufen wollen. Weil die Kommissare aber nichts zu verkaufen hatten, sei er mit geballten Fäusten und erhobenen Armen auf sie losgegangen.
Mit speziellen Polizei-Abwehrtechniken habe man den aggressiven Angreifer zu Boden geschickt, zum Eigenschutz fixiert und auf eine alarmierte Streifenwagenbesatzung gewartet. Dagegen hatten Michael D. und die Polizisten, die vom Haus gegenüber dem Tatort zufällig verdeckt ermittelten, das Geschehen ganz anders in Erinnerung. Ralf K. und Mike S. hätten den 34-Jährigen zusammengeschlagen und, als er zusammengekrümmt am Boden gelegen habe, mit ihren Füßen gegen Kopf, Oberkörper und Hoden getreten. Zudem bestritt Michael D., dass er auf der Suche nach Drogen gewesen sei.
Die Angeklagten sind vom Dienst suspendiert. Ihnen droht die Entlassung aus dem Polizeidienst. Der Prozess wird am 3. Januar mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt.

Artikel vom 20.12.2005