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Rensing darf nicht in den Kahn

Der junge Bayern-Schlussmann muss sich weiter hinten anstellen

München (dpa). Felix Magath bezeichnete die Vertragsverlängerung von Fußball-Nationaltorhüter Oliver Kahn als »Weihnachtsgeschenk des Managers«, für Michael Rensing dagegen war der Verhandlungserfolg von Uli Hoeneß keine frohe Botschaft.
Der Junioren-Nationaltorhüter wollte den Kapitän des FC Bayern München eigentlich nach der WM 2006 als Nummer 1 beerben. Der Traum ist geplatzt - und jetzt soll sich »das größte Torwarttalent, das wir in Deutschland haben« (Hoeneß) sogar noch zwei weitere Jahre mit dem harten Platz auf der Ersatzbank begnügen. Denn Kahn verlängerte gleich bis zum 30. Juni 2008.
»Mein Vertrag läuft bis 2007. Alles andere wird sich zeigen«, sagte Rensing, der sich ansonsten mit öffentlichen Äußerungen zurückhielt. Damit hat er ein feines Gespür bewiesen, denn sonst wäre Ärger mit Magath programmiert. Der Trainer fordert nämlich Einsicht und Geduld seiner Nummer zwei. »Kahns Verlängerung ist natürlich auch für Rensing ein Geschenk«, meinte Magath: »Es ist bei uns ein Übel, dass junge Spieler zu schnell nach oben geschossen werden. Michael kann sich bei einem Top-Verein neben einem Weltklassemann entwickeln. Er soll dafür dankbar und glücklich sein.« Und im übrigen, schloss Magath an: »Auch Oliver Kahn war mit 22 Jahren noch nicht Nationaltorhüter.«
Auch Kahn sah keinen Anlass für tröstende Worte an seinen jungen Stellvertreter. »Im Fußballgeschäft ist Leistung das allein Ausschlaggebende«, betonte der 36-Jährige. »Michael hat großes Potenzial. Er muss selbst entscheiden, wie er mit der Situation umgeht.« Zunächst einmal ist der 21-Jährige vertraglich an den Rekordmeister gebunden. Ihn auszuleihen, sei kein Thema, erklärte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: »Es ist nicht einfach für Michael, aber er soll bei uns bleiben. Wir sind überzeugt, dass er der Nachfolger von Kahn wird.«
Rensing wird vorerst weiter pendeln müssen zwischen den Extremen eines Stammplatzes in der U 21-Nationalmannschaft, der Zuschauerrolle in Bundesliga und Champions League sowie der Sammlung von Spielpraxis mit den »kleinen Bayern« in der Regionalliga. Dazu kommt das tägliche Üben mit Torwarttrainer Sepp Maier und Kahn. »Ich trainiere mit dem ehemals besten und dem derzeit besten Torwart der Welt. Davon kann ich nur profitieren«, sagte Rensing vor kurzem. Seinen großen Traum kann er allerdings zunächst nicht verwirklichen. Der lautet: »Ich will nach Kahn die Nummer 1 bei Bayern werden. Und wenn ich es dort bin, wird auch die Nationalmannschaft zwangsläufig ein Thema sein.«
Als 19-Jähriger erhielt der 1,88 Meter große Emsländer, der bereits als Jugendlicher vom TuS Lingen nach München wechselte, seinen ersten Profivertrag. Sein Bundesliga-Debüt feierte Rensing am 21. Februar 2004 beim 1:0-Heimsieg gegen den Hamburger SV, den Gegner der Bayern im DFB-Pokal-Achtelfinale. Der letzte von bislang sechs Erstliga-Einsätzen folgte am letzten Spieltag der vergangenen Saison beim 3:1-Erfolg in Stuttgart.
Ersatztorhüter haben es beim FC Bayern traditionell schwer. »Der Junghans wird noch zum Althans«, scherzte einst Sepp Maier, der von 1965 bis 1979 im Tor stand, über seinen damaligen Stellvertreter Walter Junghans. Kahn ist auch schon seit 1994 die Nummer 1. Und Rensings Vorgänger Sven Scheuer, Uwe Gospodarek, Stefan Wessels und Bernd Dreher kamen ebenfalls nur zum Zuge, wenn Kahn verletzt war. Eine typische Ersatzkeeper-Karriere hat Rensing aber nicht im Sinn, wie er stets betont hat: »Es ist nicht mein Ziel, einfach nur Profi zu sein und einen guten Vertrag zu haben. Ich will unbedingt spielen.«

Artikel vom 22.12.2005