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Schleichwerbung im deutschen Fernsehen

Dann ging es wie ein Ruck
durch die Medien-Landschaft

Der Begriff »Schleichwerbung« wurde zwar nicht das »Wort des Jahres«, landete aber gleichwohl immerhin in der Favoritengruppe. Von Mitte des abgelaufenen Jahres 2005 an erschütterte der Skandal die Fernsehlandschaft und schüttelte sie kräftig durch.


Doch das ist es nicht allein: Die EU hat sich für eine neue Fernsehrichtlinie entschieden und setzt damit die Glaubwürdigkeit der Medien aufs Spiel.
Die Schleichwerbungsaffäre nahm ihren Anfang mit der ARD-Vorabendserie »Marienhof«. Und von da an ging es wie ein Ruck durch die Fernsehlandschaft. Denn während die Prüfungskommission bei der Produktionsfirma Bavaria Licht ins Dunkle brachte, gerieten plötzlich auch andere Sender in den Verdacht, Schleichwerbung in verschiedenen Formaten zugelassen zu haben. Und das sowohl bei den öffentlich-trechtlichen wie auch bei den privaten Sendern. So gut wie keiner blieb verschont. Hektische Suche nach weiteren Fällen war die Folge, Schuldige wurden gesucht und auch gefunden. So musste beispielsweise Bavaria-Chef Thilo Kleine den Hut nehmen. Sein Nachfolger wird wahrscheinlich Matthias Esche (54) sein.
Nach der Schleichwerbungsaffäre hat beispielweise der NDR einige »Tatort«-Folgen mit Manfred Krug und Charles Brauer vorerst nicht ausgestrahlt. Der WDR überprüfte 90 Filme und fand in 53 von ihnen Anhaltspunkte für mögliche Produktreklame. Von Produzenten gelieferte Filme sollen künftig nicht nur redaktionell abgenommen, sondern auch noch juritisch streng durchleuchtet werden.
Nun soll härter gegen die Schleichwerbung durchgegriffen werden. Zum Maßnahmenpaket der ARD beispielsweise gehören unter anderem die Präzisierung von Produktionsverträgen, die Einführung einer Programmbeobachtung und weitere Schritte zur Trennung von Werbung und Programm. Eine eigens eingerichtete »Clearingstelle« ist mittlerweile eingerichtet worden.
Laut Rundfunkstaatsvertrag gilt im Fernsehen, wie auch im Hörfunk, eine klare Trennung zwischen Werbung und Programm. Der Übergang von einem ins andere muss dem Zuschauer auch durch optische oder akustische Signale deutlich gemacht werden. Dabei ist »Product Placement« gestattet, wenn es aus dramaturgischen Gründen zu rechtfertigen ist. Illegal wird es, wenn der Produkthersteller zusätzlich Geld aufs Konto des Senders oder des Produzenten überweist. Der Tatbestand der »Schleichwerbung« ist eindeutig erfüllt, sofern der Geldtransfers oder etwaige Vertragsabschlüsse nachgewiesen werden können. Product Placement und auch Sponsoring haben sich mittlerweile im Privat-TV und bei ARD und ZDF zu unerlässlichen Faktoren entwickelt. Denn gerade die öffentlich-rechtlichen Sender sind laut Rundfunkstaatsvertrag gehalten, sämtliche Nebenerwerbsquellen - legale wohlgemerkt - aufzutun, um den Gebührenzahler zu entlasten.
Werbung und Programm trennen lautete die Dewise, nachdem beispielsweise die Öffentlich-Rechtlichen die Schleichwerbungsaffäre für überwunden erklärten und meinten, dass in jedem Unglück eine Chance liege. Nun verhindert die Europäische Kommission, dass man sich ruhig im Sessel zurücklehnen kann. Denn ginge es nach Brüssel, müssten sich Europas Fernsehzuschauer auf häufigere Werbepausen im Programm einrichten. Noch liegt nur ein Gesetzentwurf vor, der Werbeunterbrechungen in Sport- und Unterhaltungsprogrammen zu jedem Zeitpunkt erlaubt.
Mit der Neufassung der Fernsehrichtlinie aus dem Jahr 1989 sollen auch neue Werbeformen gefördert werden wie Reklame auf geteilten Bildschirmen, virtuelle und interaktive Werbung sowie Mini-Spots. Reklame für Tabak und verschreibungspflichtige Medikamente sollen verboten bleiben. Die Ausgestaltung der EU-Regeln will die Kommission den Mitgliedsstaaten überlassen. Für jeden Sender solle das Recht des Landes gelten, in dem er seinen Sitz hat. Schweden beispielsweise kann demnach weiterhin Werbung in Kindersendungen verbieten.
Die von der EU-Kommission geplante Lockerung des Schleichwerbeverbots stößt in Deutschland weitgehend auf Skepsis. Während der Privatsenderverband VPRT es begrüßt, dass künftig Produktplazierungen gegen Bezahlung in Unterhaltungssendungen erlaubt sein sollen, äußerten Politiker, die Medienaufsicht und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) Bedenken.
»Wer die klare Trennung von Werbung und Programm aufhebt, führt die Mediennutzer in die Irre«, heißt es vom BDZV. Überdies sei die Glaubwürdigkeit der Medien aufs Spiel gesetzt.


Ein Beitrag von
Rolf-DieterBock

Artikel vom 31.12.2005