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In bewundernswerter Souveränität

Weihnachtsoratorium in der Jesus-Christus-Kirche stimmt auf das Fest ein


Von Jutta Albers
(Text und Foto)
Sennestadt (WB). »Jauchzet, frohlocket! Auf, preiset die Tage!« Mit diesem Jubelchor, unterstützt von Streichern, Holzbläsern, Pauken und Trompeten, beginnt Bachs Weihnachtsoratorium, das als Hörerlebnis ein ruhender Pol in der Hektik der Adventszeit ist und auf das Fest einstimmt.
Die Kantaten I bis III erklangen am vierten Adventssonntag unter Leitung von Dorothea Schenk in der überfüllten Jesus-Christus-Kirche in einer gelungenen Aufführung, die am Ende mit stehenden Ovationen bedacht wurde. In dem Werk sind die Gegensätze zwischen weltlichem Jubel und himmlischer Freude ausgelöscht. »Tönet ihr Pauken! Erschallet Trompeten!« lautete der ursprüngliche Text dieses Chorsatzes aus einer Huldigungskantate, der neben anderen weltlichen Sätzen von Bach ganz selbstverständlich umtextiert in die sakrale Komposition übernommen wurde. Durch hinzukomponierte Choräle und Rezitative hat er dann das Weihnachtsoratorium zu einer Einheit zusammengefügt, eine damals durchaus gängige Praxis.
Dorothea Schenk hatte die Kantorei ( die dieses Werk bisher zwei Mal, 1990 und 2000, aufgeführt hat) bestens auf ihre große Aufgabe vorbereitet. Die Sänger präsentierten sich mit Sicherheit und stimmlicher Ausgewogenheit. Schon der Eingangschor, der seine Tücken hat, weil der jubelnde Text nicht in jubelnden Höhen, sondern in undankbarer Mittellage einsetzt. Trotzdem wurde es ein verheißungsvoller Auftakt, weil Schenk durch prononcierte, betont akzentuierte Anlage den Jubelcharakter am besten traf. Auch die schweren polyphonen Sätze wie »Ehre sei Gott« oder »Lasset uns nun gehen gen Bethlehem«, die als Beispiel chorischer Leistungsfähigkeit gelten, gelangen sauber, locker, transparent und geschmeidig. Der »Herrscher des Himmels« Chorsatz, der die dritte Kantate umrahmt, wurde musikalisch zur Freudenbotschaft. Profil hatten auch die bildhaft eingebrachten Turbae-Chöre, und es war wohltuend, die Choräle in ihrer Schlichtheit differenziert zu hören.
Als ein Glücksgriff erwies sich die Wahl des Instrumentalensembles. Zu dem »Telemannischen Collegium Michaelstein« haben sich hier Experten und Könner zusammengefunden, die historisches Instrumentarium perfekt beherrschen und zur Sennestädter Aufführung des Weihnachtsoratoriums ein ganz besonders stimmiges instrumentales Fundament beisteuerten. Es war bewundernswert, mit welcher Souveränität die schwer zu spielenden klappenlosen Blasinstrumente, Flöten, Oboen, Fagotte und Trompeten, oft obligate Partner der Vokalsolisten, eingesetzt wurden, wie sauber die Streicher agierten und delikat begleitend die Continuo-Gruppe. Selten hat man die Hirten-Sinfonia so geschmeidig, beschwingt und durchsichtig gehört.
Einen unterschiedlichen Eindruck hinterließ das Solistenquartett. Stimmlich merkwürdig blass blieb anfangs,trotz eindrucksvoller deklamatorischer Gestaltung der Rezitative, der junge Tenor Friedrich von Mansberg, der in der Aufführung von Haydns »Jahreszeiten« im Juni einen so guten Eindruck hinterlassen hatte. Aber er konnte sich steigern, meisterte die Partie des Evangelisten letztlich doch überzeugend und lieferte mit der immens schweren melismenreichen »Hirten-Arie« eine beachtliche Leistung.

Artikel vom 20.12.2005