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SOS-Kinderdörfer gibt es bald in 132 Ländern

In der Ukraine entstehen 14 Familienhäuser nahe Kiew

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Hundert Kinder sollen im ersten SOS-Kinderdorf der Ukraine in Brovary eine neue Heimat finden. Geplant sind 14 Familienhäuser.

Die diesjährige WESTFALEN-BLATT-Weihnachtskation will dazu beitragen, dass die Kinderdorf-Idee damit weltweit das 132. Land erreicht. Das ehrgeizige Ziel lautet »Sechs Dörfer im WM-Jahr 2006«.
Die schwierigen Lebensbedingungen in dem Nachfolgestaat aus dem Erbe der zerfallenen Sowjetunion werden geprägt von sozialer Entwurzelung sowie Drogen- und Alkoholproblemen. Leidtragende sind die Kinder, die sich selbst überlassen sind oder zur Adoption freigegeben werden. Außerdem: Die Zahl der HIV-Infektionen nimmt dramatisch zu.
»Ich habe selbst drei Kinder und sehe, wie sehr sie ihre Eltern brauchen. Es macht mich traurig zu sehen, wenn Kinder diese Wärme nicht bekommen«, sagt dazu Weltklasse-Boxer Vitali Klitschko. Als SOS-Kinderdorf Pate unterstützt er das Projekt nach Kräften.
Bis heute leidet der zweitgrößte Staat Europas noch an den Folgen der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl vor knapp 20 Jahren. Teile des Landes wurden dabei verstrahlt, die Auswirkungen sind unvermindert spürbar.
Neben den katastrophalen gesundheitlichen Folgen für die Menschen in der Region bedeutete der Unfall einen tiefen Einbruch in der wirtschaftlichen Entwicklung. Der schwierige Übergang zum marktwirtschaftlichen System war und ist ebenfalls eine Bürde für den jungen Staat. Fast ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.
Zwei Hilfsprojekte in der Hauptstadt Kiew, eines für kinderreiche Familien sowie ein Aids-Beratungszentrum, läuteten Ende 2003 die SOS-Kinderdorf-Arbeit in der Ukraine ein. Mit beiden Hilfsprogrammen werden Menschen erreicht, die unter der schlechten Wirtschaftslage und einem unzulänglichen Sozialsystem am meisten leiden: große Familien und Kinder beziehungsweise Jugendliche aus benachteiligten Familien.
Wie in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken ist auch in der Ukraine die Betreuungssituation in vielen Waisenhäusern katastrophal. Mit dem Bau des ersten SOS-Kinderdorfes soll ein Gegenmodell geschaffen werden, das eine individuelle, familienähnliche Unterbringung von Kindern im Land fördern und alternative Wege zur institutionellen »Verwahrung« aufzeigen soll. Das Prinzip »Kinderdorfmutter« wird Maßstäbe setzen, davon ist nicht nur Vitali Klitschko überzeugt.
»Wir in der Ukraine«, sagt der sympathische Sportler und Botschafter seines Landes weiter, »haben sehr viele Hoffnungen. Die Hoffnungen können sich aber nur mit dem Nachwuchs erfüllen, mit den Kindern.« Das SOS-Kinderdorf werde, so seine Überzeugung, der Ukraine auf diesem Weg helfen. Höflich, wie es seine Art ist, dankt er allen Spendern schon im voraus und allein für deren Absicht, Gutes zu tun.

Artikel vom 29.12.2005