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Opa Meiners überrascht mit Grimassen

Umjubelte Vorstellung des Ohnsorg-Theaters in der Aula der Brackweder Realschule

Von Melanie Beyster
(Text und Fotos)
Brackwede (WB). Was passiert, »wenn die Emanzipation kommt«, wissen die Zuschauer des Ohnsorg-Theaters vom vergangenen Samstag Abend ganz genau.

Dann haben die Männer endlich auch mal etwas zu sagen. Mit Karl Bunjes Komödie »Das Hörrohr« gastierte das bekannte Hamburger Ensemble in der ausverkauften Aula der Realschule Brackwede. Sie präsentierten ein Theaterstück voller Charme und Witz über die familiären Verwicklungen der Familie Meiners.
Opa Meiners, gespielt von Jens Scheiblich, kann kaum noch hören. Er ist pensionierter Bauer und vertraut auf die Fähigkeiten seines Knechts Bernd Eikhorst (Axel Stosberg), die Landwirtschaft auf dem Hof aufrecht zu erhalten. Peter Wohlert verkörpert Opas Sohn Jochen, der seine letzte eigenständige Entscheidung vor dem Standesamt getroffen hat und sich seitdem unter der Knute seiner Frau Bertha auf »was du meinst, Bertha« beschränkt. Während Opa Meiners einen Nachmittag nach dem anderen verschläft, übersieht er beinahe die fiesen Pläne seiner habgierigen Schwiegertochter, die kurz davor ist, sich Haus und Hof unter den Nagel zu reißen und Opa Meiners kurzer Hand vor die Tür zu setzten.
Erst ein neues, technisch aufbereitetes Hörrohr, das seine vorausschauende Enkeltochter Elke Saathoff (Sonja Stein) mit seinem alten vertauscht, gewährt ihm Einblick in Berthas miese Charakterzüge.
Nun ändern sich seine Pläne: Motiviert von den Intrigen seiner Schwiegertochter, hört er sich jedes Gespräch in seiner Umgebung an. Dabei spielt er weiterhin den verknöcherten alten Opa, der von seinem Ohrensessel aus die Verwandten herumkommandiert.
Die herrische, selbstgerechte Bertha, die von Heidi Mahler klischeegerecht in Szene gesetzt wird, schmiedet derweil Übernahmepläne mit ihrem ehemaligen Verlobten Arnold Hogeback (Detlef Heydorn), der nach Jahren aus der Versenkung aufgetaucht ist und nun nicht nur um Berthas Gunst, sondern auch um ihr Bares buhlt.
Die schrille Nachbarin Lieschen Quadfasel (Isabel Zeumer) und ihr unterwürfiger Mann Tobias (Jochen Baumert) kommen Bertha und Arnold gerade recht, denn seit Generationen gehört der Grund und Boden, auf dem ein Teil des Hofes steht, noch immer den Quadfasels.
Opa Meiners hat nun die ganze Zeit gut zugehört und löst das Problem auf seine Art, zusammen mit dem Knecht Bernd und Notar Fesenfels (Martin Koch), der ebenfalls Berthas missgünstige Pläne durchschaut hat. Jens Scheiblich begeistert die Zuschauer von seinem Sessel aus mit überraschten, enttäuschten und auch verschmitzten Grimassen, nachdem sein Hörrohr ihm die Wahrheit geflüstert hat, während die Bühnenerfahrene Heidi Mahler mit Bravour die hinterhältige Schwiegertochter spielt. Besonders verzauberte sie als Stimmwunder von gnadenlos schrill bis schmeichlerisch zart.
Die Zuschauer waren hingerissen vom nostalgischen Charme des Ohnsorg-Theaters. »Ich mag den volkstümlichen Ausdruck des Theaters«, schwärmt Bärbel Bielow, die zusammen mit ihrem Mann Norbert bereits zum dritten Mal das Gastspiel des Hamburger Theaters besucht.
Jeder der Anwesenden kann von sich behaupten, einige Lebensweisheiten dazu gelernt zu haben. Denn eines ist sicher, »wer selig will sterben, gebe sein Gut den rechten Erben«. - »Was du meinst, Bertha.«

Artikel vom 19.12.2005