19.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Mahnwache: Zahlreiche Menschen setzen sich für Susanne Osthoff ein.

Gebete der Familie erhört

Susanne Osthoffs Familie erfuhr kurz vor 19 Uhr von der Freilassung

Von Helmut Reuter
Berlin (dpa). »Meine Schwester ist wieder frei. Wir können wieder Menschen werden«, sagt Robert Osthoff nur wenige Minuten, nachdem er gestern Abend die frohe Botschaft vom Bundeskriminalamt erfahren hatte. Susanne Osthoff (43) war fast drei Wochen in der Gewalt ihrer Entführer.

»Wir haben gebetet, gebetet und gebetet«, erzählt ihr Bruder erlöst im TV-Sender n-tv. Sechs Tage vor Weihnachten sind die Gebete erhört worden. Die Entführer wollen auch Osthoffs irakischen Fahrer bald freilassen, kündigte ein erleichterte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kurz nach 19.00 Uhr in einer eiligst einberufenen Pressekonferenz in Berlin an.
Osthoff war die erste Deutsche, die im Irak entführt wurde. Seit ihrer Verschleppung am 25. November arbeitete die Bundesregierung still und effektiv an ihrer Freilassung. Der Krisenstab in Auswärtigen Amt kam täglich ein oder zwei Mal unter Leitung von Staatssekretär Klaus Scharioth zusammen. »Die Bemühungen werden unvermindert und intensiv fortgesetzt. Details können zum Schutz der Betroffenen nicht genannt werden«, hieß die knappe tägliche Mitteilung.
Derweil lief im Irak die hektische Suche nach seriösen Vermittlern, die Kontakt zu den Entführern herstellen könnten. Die Täter hatten die Deutsche auf dem Weg von Bagdad nach Arbil im Nordirak bei einer Überlandfahrt verschleppt und forderten ein Ende der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Irak.
»Wir sind glücklich über diesen Ausgang der Entführung«, atmete Steinmeier auf. Osthoff sei in »guter körperlicher Verfassung« und in sicherer Obhut in der deutschen Botschaft in Bagdad. Dort hat sich der deutsche Botschafter Bernd Erbel in den vergangenen drei Wochen intensiv um Kontakte auch mit geistlichen Führern bemüht. Wann die 43-jährige Archäologin nach Deutschland zurück kommt, ist noch unklar. Selbst der Bruder weiß es noch nicht.
Auch in Susanne Osthoffs früherer Heimatgemeinde Glonn in Bayern, löste die Nachricht Freude aus. »Das ist eine große Erleichterung für uns alle«, sagte Bürgermeister Martin Esterl der dpa. Rund drei Wochen Hoffen und Bangen liegen hinter der Familie und den Freunden. »Meine Mutter ist völlig fertig und meine Schwester auch«, sagt Robert Osthoff.
Zahlreiche Prominente riefen die Entführer in den vergangenen Tagen zur Freilassung Osthoffs und ihres Fahrers auf und appellierten dabei an das Ehrgefühl der Kidnapper. Dem Aufruf schlossen sich unter anderem die drei früheren Bundespräsidenten Johannes Rau, Roman Herzog und Richard von Weizsäcker an, ebenso der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder. Auch wenn alle auf die Freilassung der Deutschen hofften, schwang immer auch die Erinnerung an grausame Bilder aus vergangenen Entführungen im Irak mit. Terroristen hatten mehrere Geiseln vor laufender Kamera ermordet. Ein Schicksal, dass auch Osthoff drohte.
So groß die Freude und Erleichterung über ihre Freilassung ist, so groß ist die Sorge über die, die noch immer im Irak festgehalten werden. Derzeit befinden sich noch mindestens neun westliche Staatsbürger in der Gewalt von Entführern. Dabei handelt es sich um fünf Amerikaner, zwei Kanadier, einen Briten und einen Franzosen. Insgesamt sind derzeit etwa 75 Ausländer entführt oder vermisst. Von einigen gibt es schon seit 2004 kein Lebenszeichen mehr. In den meisten Fällen ist unklar, ob die Täter gewöhnliche Kriminelle oder Terroristen sind.

Artikel vom 19.12.2005