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Bauherr lässt
Zoll im Dunkeln

25 Arbeitslose unter Betrugsverdacht

Von Christian Althoff
Minden (WB). Die Bauherren des neuen Mindener Klinikums sollen entgegen eigenen Angaben konkrete Hinweise auf Gesetzesverstöße nicht den Behörden gemeldet haben. Das ist am Freitag bekanntgeworden.
Dezernent Jürgen Striet will dem Zoll geholfen haben.

Der Kreis Minden-Lübbecke und die Stadt Minden bauen derzeit für 210 Millionen Euro ein neues Klinikum. In einer Runde mit dem Kreisbaudezernenten Jürgen Striet, dem Klinikgeschäftsführer Gerald Oestreich sowie dem Leiter der Neubau-Geschäftsstelle, Hermann Schlechte, hatte die Gewerkschaft IG Bau Anfang November neben anderem den Arbeitsvertrag eines Eisenbiegers vorgelegt, mit dem ein Stundenlohn von sieben Euro vereinbart worden war - 3,20 Euro weniger als der gesetzliche Mindestlohn. Baudezernent Striet sagte am Freitag, er habe keinen Anlass gesehen, mit der betreffenden Baufirma Kontakt aufzunehmen. »Wir haben aber alle Unterlagen an den Zoll weitergeleitet«, versicherte er. Genau das wird von der Zollabteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit bestritten: »Wir können kategorisch ausschließen, dass uns von den Bauherren vor der Baustellenüberprüfung am 7. Dezember irgendwelche Unterlagen übergeben worden sind«, erklärte am Freitag Dr. Heinz Michael Horst, Sprecher der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in Köln. Weitere Angaben machte er mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht.
Bei der Baustellenrazzia hatten Zollbeamte Hinweise auf Leistungsmissbrauch, Schwarzarbeit und Verstöße gegen Mindestlohnbestimmungen entdeckt. Nach Informationen dieser Zeitung sollen allein 25 Arbeitslose festgestellt worden sein, die staatliche Leistungen kassierten und nur eine Erlaubnis für eine geringfügige Beschäftigung hatten. Tatsächlich sollen sie jedoch ganztags auf der Baustelle gearbeitet haben, was durch das Zugangskontrollsystem dokumentiert worden sein soll. Die entsprechenden Listen des Kontrollsystems sollen allerdings nie durch den Bauherren überprüft worden sein, dem so Hinweise auf möglichen Leistungsbetrug auch nicht aufgefallen waren: »Das Prüfen der Listen ist nicht unsere Aufgabe, sondern die der Behörden«, sagte Striet.
Ob diese Erklärung reicht, wird die Staatsanwaltschaft Bielefeld in den kommenden Wochen prüfen. Ihr liegt seit Donnerstag eine Strafanzeige der Gewerkschaft gegen die Bauherren vor. Aus Ermittlerkreisen hieß es, es sei zu klären, ob die Bauherren nicht Beihilfe etwa zum Leistungsbetrug geleistet hätten, weil sie ihre Kontrollmöglichkeiten möglicherweise nicht wahrgenommen hätten. »Denn von einem öffentlichen Bauherren darf man sicherlich mehr erwarten als von einem Häuslebauer«, sagte ein Beamter.
Das 500 000 Euro teure Zugangskontrollsystem, mit dem das Baulogistikunternehmen Streiff jeden erfasst, der die Baustelle betritt (einschließlich Ausweisnummer, Sozialversicherungsnummer, Arbeitserlaubnis sowie etwaiger Erlaubnis zur geringfügigen Arbeit) kann übrigens Schwarzarbeit und Leistungsmissbrauch nicht verhindern, wie ein Firmensprecher einräumte: »Es soll in erster Linie dokumentieren, wer wann und wie lange auf der Baustelle ist.«

Artikel vom 17.12.2005