17.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Diese Kunst dröhnt in den Ohren

Holzbildhauerin Ilka Rautenstrauch greift für ihre Werke zur Kettensäge

Von Maike Albrecht
Bremen (dpa). Wenn Ilka Rautenstrauch an ihren Kunstwerken arbeitet, wird es laut. Erst setzt sie sich Schutzbrille und Ohrenschützer auf, dann wirft sie mit einem Ruck an der Schnur die benzinbetriebene Kettensäge an.

Aus dem breiten Klotz eines dicken Buchenstammes soll eine Art Schale werden. Dazu setzt die freischaffende Bildhauerin die Kettensäge im spitzen Winkel an der flachen Oberseite an und beginnt, einen Ring in das Holz zu sägen. Späne fliegen, es stinkt nach Benzin und es dröhnt in den Ohren. Die 37-Jährige arbeitet einige Stunden am Stück, dabei wiegt die Kettensäge schwer in der Hand. Und ungefährlich ist diese Art von Kunst auch nicht. »Man muss immer sehr konzentriert sein, sonst kann schnell etwas passieren«, erklärt Rautenstrauch.
Die fertigen Holzskulpturen erinnern kaum noch an ihre harte Entstehung. Die Oberfläche ist erstaunlich glatt, kein Splitter bohrt sich beim Darüberstreichen in die Hand. Manche Figuren weisen filigrane Muster auf. So ragen aus einem rechteckigen Holzklotz mehrere tropfenförmige Auswüchse in die Höhe, die eng beieinander stehen. Die Abstände sind nur unwesentlich breiter als das Blatt der Kettensäge. Dies sei alles aus einem Stück gearbeitet, erzählt Rautenstrauch.
Mehr als 30 Holzskulpturen hat die studierte Künstlerin schon auf diese Art hergestellt. Ihre Ungeduld ließ sie zur Säge greifen. Mit Beitel und Schlägel dauerte es der Bremerin zu lange. So begann sie mit kleinen Elektrosägen erste Versuche. Einige kaputte Exemplare später griff sie zur Profikettensäge. 750 Euro musste sie für dafür hinlegen - viel Geld für eine freischaffende Künstlerin. Leben kann sie von ihrer Arbeit nicht. Ein Job als Nachtwache bringt die notwendige Grundsicherung. »Das gibt mir die Möglichkeit, am Tag meiner Arbeit nachzugehen.«
In ihrem kleinen Atelier im »Künstlerhaus Güterabfertigung« nahe des Bremer Bahnhofs zeichnet Rautenstrauch zur Zeit an einem Bilderbuch, ein willkommener Ausgleich zur lauten und schweren Arbeit mit der Säge.
Die Baumstämme, aus denen die Skulpturen herausgearbeitet werden, liegen draußen unter einem Vordach. Der Boden ist bedeckt mit Spänen, der Platz frei zugänglich. Beschädigungen an den Kunstwerken bleiben da nicht aus. »Die wurden auch schon mal angesprüht und umgeworfen«, erzählt Rautenstrauch. Etwa zwölf Arbeitsstunden dauere es, bis eine zwei Meter große Skulptur fertig sei. Das gelte aber nur für weiches Holz, das sich gut bearbeiten lasse. »Andere Hölzer wie Eiche sind sehr hart. Dann dauert es sehr lange, weil auch die Kette immer nachgeschliffen werden muss.«
Die Kunstwerke können innen wie außen aufgestellt werden. Der Verwitterungsprozess gehöre dann eben dazu, meint sie. Eine zwei Meter große Holzfigur kostet im Schnitt 1200 Euro. Die Preise variieren je nach Holzart, Bearbeitungsdauer und Figur.

Artikel vom 17.12.2005