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Dem Leben nach der Haft eine Stimme geben

2. Radiosendung der Straffälligenhilfe


Schildesche (WB). Die Herangehensweise ist ungewöhnlich: Ehemalige Straffällige gehen in die JVA, um Inhaftierte zu interviewen und machen daraus eine Radiosendung. Gerade, weil sie die Haft selbst erlebt haben, können sie einfühlsam und glaubwürdig darüber berichten. Heraus gekommen ist die zweite Magazinsendung des Medienprojekts der Straffälligenhilfe, einer Einrichtung im Ev. Gemeindedienst des Ev. Johanneswerks, Titel der Sendung: »House Nordpark Radio Show« um 20.04 Uhr am Sonntag, 18. Dezember (auf der Frequenz 98,3 und 92,6 Mhtz).
Wenn Werner Recker seine sonore Stimme vorm Mikrofon erhebt, dann hat er die Aufmerksamkeit seiner Hörer schon gewonnen. Recker ist 37 Jahre alt und Radio-Laie. 20 Jahre lang war er glücksspielsüchtig, hat wegen seiner Schulden gesessen und danach eine Zeitlang im Betreuten Wohnen im Haus Nordpark gewohnt. Hier hat ihn Thomas Wendland, Pädagoge der Straffälligenhilfe im Ev. Gemeindedienst, für das Medienprojekt begeistern können. »Die Medienkompetenz zu steigern, aber auch kreatives Potenzial an sicht- und hörbare Ergebnisse zu koppeln, das ist der Hintergrund der Radio-Idee«. Auch der 26-jährige Peter Heidemann erhofft sich von dieser Arbeit eine Perspektive.
Ein junger Musiker im Knast: Der 20-jährige Rapper Titus A. ist wegen einer Gewalttat zu vier Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt und sitzt in der JVA Bielefeld-Brackwede I ein. Wie sich das anfühlt, darüber hat er einen Song getextet. »Schreiben ist für mich wie Tagebuch führen«, sagt er dem Radiomacher Recker von Hause Nordpark ins Mikrofon und »seit ich hier drin bin, weiß ich, was Freiheit ist«. 23 Stunden »auf Zelle«, das ist besonders in der Untersuchungshaft normal. Spätestens hier realisieren viele Täter, was sie nicht nur anderen, sondern auch ihrem eigenen Leben angetan haben. »Mir tut das alles sehr, sehr Leid«, sagt der junge Mann.
»Die Jungs sind gut vorbereitet, haben klasse Musik mitgebracht, der Rest ist Handwerk.« Das sagt Sabine Höhn von der DGB-Radiowerkstatt. Höhn koordiniert die Termine, mischt die Beiträge, hilft beim Schneiden der O-Töne.
Thomas Wendland setzt auf so eine kreative Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Peckelsen leistet er Beratung für von Haft bedrohten Menschen, Inhaftierte, Haftentlassene und deren Angehörige. Aus einer Kultur des Überlebens wieder ein lebenswertes Leben zu machen, daran hat Pädagoge Wendland ein großes Interesse.

Artikel vom 17.12.2005