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Festnahmen in Budapest

Ungarn auf NRW-Schlachthöfen illegal beschäftigt

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bonn (WB). Nach zweimonatigen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt die Strafverfahren wegen Bestechlichkeit gegen fünf Mitarbeiter der hessischen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Frankfurt eingestellt.

Der Korruptionsverdacht habe sich nicht bestätigt, sagte Oberstaatsanwältin Doris Möller-Scheu am Freitag dieser Zeitung. In einem der größten Verdachtsfälle von Wirtschaftskriminalität in Deutschland hatte es Hinweise gegeben, dass die Mitarbeiter bei der Genehmigung von Arbeitsverträgen für Ungarn Vorteile genossen haben sollen. Vor allem zu besonderen Anlässen, wie zu Weihnachten und an Geburtstagen, hätten die fünf Mitarbeiter Aufmerksamkeiten von ungarischen und deutschen Scheinfirmen erhalten, lautete der nun ausgeräumte Vorwurf.
In Ungarn hingegen hat sich der Korruptionsverdacht gegen hohe Regierungsbeamte erhärtet. Judith C., Leiterin des Referates im Wirtschaftsministerium, das für die Genehmigung von Werkverträgen zuständig ist, sitzt nach Angaben aus Ermittlerkreisen in Untersuchungshaft. Ferner waren zwei ihrer Mitarbeiter vorläufig festgenommen worden. Nach den bisherigen Ermittlungen soll die Referatsleiterin pro Kopf der vermittelten ungarischen Arbeiter seit zehn Jahren Schmiergeld in sechsstelliger Höhe kassiert und bereits Verfehlungen eingeräumt haben. Aufgrund der Schmiergeldzahlungen sollen im Wirtschaftsministerium falsche Bescheinigungen ausgestellt worden sein. Scheinfirmen sei so eine legale Geschäftstätigkeit bescheinigt worden.
Den Scheinfirmen wird vorgeworfen, 1500 ungarische Arbeiter, die als Billigkräfte in der Fleischindustrie, im Baugewerbe und der Metallverarbeitung eingesetzt wurden, eingeschleust zu haben. Die überwiegende Zahl der Billigarbeiter sei in verschiedenen Schlachthöfen in NRW beschäftigt worden, sagte der Bonner Oberstaatsanwalt Friedrich Apostel dieser Zeitung. In NRW werde gegen 13 Beschuldigte von zwei Firmen im Bereich Euskirchen ermittelt.
Das kriminelle Netzwerk zur Beschäftigung von Schwarzarbeitern war bei einer Razzia am 26. April 2005 in Deutschland, Österreich und Ungarn aufgedeckt worden. Die Verantwortlichen der deutschen und ungarischen Scheinfirmen sollen mit den Billigarbeitskräften einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro erwirtschaftet haben. Bis zu 30 Millionen Steuern und Sozialversicherungsabgaben sollen hinterzogen worden sein. Bei der Razzia, die eine Sonderkommission der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls im Auftrag von neun Staatsanwaltschaften durchführte, war ein Vermögen von 14 Millionen Euro sichergestellt worden.

Artikel vom 17.12.2005