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Das Zaubern lernt man
nicht nur in Hogwarts
Schulen und Kurse gibt's auch in Deutschland - Benjamin weiß, wo
Nicht erst seit Harry Potter gilt: Wer zaubern will, muss eine Zauberschule besuchen. Aber die muss nicht »Hogwarts« heißen, weiß Zeitungsbär Benjamin. Auch für ganz normale Menschen gibt es nämlich in Deutschland Zauberunterricht.
Zum Beispiel in der Zauberakademie, kurz ZAD, in Pullach bei München. Die wurde von dem heute 57 Jahre alten Harold Voit gegründet und gilt inzwischen als Deutschlands renommierteste Magierschmiede. Jetzt feiert die ZAD ihr 25-jähriges Bestehen.
Menschen, die hier mal »geschnuppert« haben, sind begeistert. »Nach einem Infotag war für mich klar, das will ich lernen«, sagt beispielsweise Magierin Eva. Seit zehn Jahren besucht die 41-Jährige, die sonst als Maschinenbauingenieurin ihr Geld verdient, regelmäßig die Zauberschule. Nach zwei Jahren Studium absolvierte sie die Abschlussprüfung. Damit ist sie zugleich in den Magischen Zirkel von Deutschland aufgenomen. Doch auch Zauberer müssen immer dazu lernen. Deshalb nimmt sie regelmäßig an Zauber-Fortbildungen teil, um fit zu sein mit ihrer Kollegin Birgit. Die ist im wahren Leben Krankengymnastin. Aber bei Geburtstagen und Firmenfeiern treten beide als Zauberinnen-Duo auf. Toll, findet Benjamin.
Noch bis vor wenigen Jahren war die bayerische Zauberakademie in ganz Europa einzigartig. Doch inzwischen möchten immer mehr Menschen die magischen Tricks erlernen, weiß Christiane Havener. Die 31 Jahre alte Betriebswirtin kaufte ihrem Vater die Schule ab und leitet sie jetzt gemeinsam mit ihrem Mann Thorsten, einem Gedankenleser. Harold Voit mischt natürlich auch noch mit. »Mein Vater ist oft für Theater und Film tätig, wenn es um Zauberei geht«, sagt Tochter Christiane.
Leute aller Altersstufen und Berufe studieren die Zauberkunst, erzählt die mehrfache magische Preisträgerin. Nicht nur Väter und Großmütter, die für die Familie trainieren, sondern auch Manager, die ihre Vorträge abwechslungsreicher gestalten wollen.
Die Zauberschule Jedinat in Sandhausen bei Heidelberg ist die zweitgrößte Ausbildungsstätte Deutschlands für Magier und hat sogar »Filialen« in Frankfurt, Stuttgart, Hamburg und München. Mehr als 800 Hobbyzauberer wurden hier schon ausgebildet. Doch das Interesse an Zauberlehrgängen ist mittlerweile so groß, dass auch viele Volkshochschulen in Deutschland Workshops anbieten, hat Benjamin erfahren.
Die Zauberer sind übrigens gut organisiert. Ihr Verband, der Magische Zirkel, wurde schon 1912 gegründet. Heute gibt es in Deutschland 80 Ortszirkel, deren Mitglieder vom Hobbyzauberer bis hin zu Weltstars wie Siegfried & Roy reichen. Frauen durften übrigens bis in die 70er-Jahre hinein nicht Mitglied werden. Ganz schön dumm, findet Benjamin das. Na immerhin: Heute ist ein großer Teil der Zauber-Studenten weiblich.
»Alle drei Jahre veranstalten wir deutsche Meisterschaften«, sagt Harold Voit, der auch Vorsitzender des Magischen Zirkels München ist. Die drei Gewinner dürfen dann an der Weltmeisterschaft der Zauberer teilnehmen. Aber ohne Übung wird auch hier niemand Meister. »Man braucht schon drei bis vier Jahre, um für die WM zu trainieren«, sagt Martin Kaeppel, der an der Weltmeisterschaft 2006 in Stockholm teilnehmen darf. Und bei aller Geheimhaltung hat der 28 Jahre alte Zauberer Benjamin immerhin eines verraten: Wirklich zaubern kann eigentlich niemand. Die Kunst ist eben, so zu tun, als ob!

Artikel vom 31.12.2005