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Schiedsrichter-Skandal

Hoyzer: Der Mann, der den Fußball verkaufte

Der Schiedsrichter Robert Hoyzer hatte alles über manipulierte Fußballspiele erzählt, was man von ihm hören wollte. Erst in unzähligen Interviews, danach in der eigens über den 26-jährigen Berliner gedrehten ZDF-Dokumentation »Verpfiffen« und zuletzt vor der 12. Strafkammer des Landgerichts Berlin. Eine solche Geschichte gab's noch nie.


Der Mann, der den Fußball verkaufte, hatte beteuert, er habe seine Lektion gelernt und wolle ein neues Leben beginnen. Doch das Spiel ist aus. Die Vorsitzende Richterin Gerti Kramer glaubte dem Schauspieler im Schiedsrichter-Kostüm nicht: Zwei Jahre, fünf Monate Haft für Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug in sechs Fällen. Keine Bewährung. Ein Urteil, auf das niemand gewettet hätte.
Hier liege kein Bubenstück vor, sondern eine Straftat. Ein Schiedsrichter müsse nicht gut sein, aber neutral. Diese Pflicht habe Hoyzer ohne Not aufgegeben. Ohne Bedenken habe Hoyzer andere in Schwierigkeiten gebracht, begründete Kramer ihr Urteil, das noch fünf Monate über dem Antrag der Staatsanwaltschaft lag.
Der Wett-Skandal begann in Ostwestfalen-Lippe am 21. August 2004. Im kleinen Hermann-Löns-Stadion leitete Hoyzer die Pokalpartie SC Paderborn 07 gegen den Hamburger SV (4:2). Eine Begegnung, die zunächst wie erwartet lief, aber eben nicht wie geplant. Hoyzer musste eine Hamburger 2:0-Führung in einen Erfolg für Paderborn verwandeln und pfiff einen der schändlichsten Elfmeter, den Deutschland je gesehen hat. Mittendrin: Paderborns Kapitän Thijs Waterink. »Mach doch mal was«, soll Hoyzer dem Holländer Sekunden vor dem Pfiff zugerufen haben. Der heute 37-Jährige tat wie befohlen und sank im HSV-Strafraum zu Boden.
Eine Version, die Waterink bis heute bestreitet. Der Paderborner Abwehrchef hatte sich am Morgen des Spieltages »im Umfeld des Stadions mit einem unbekannten, südländisch anmutenden Mitbürger« getroffen. So drückte sich SCP-Präsident Wilfried Finke Ende Januar 2005 im Verlauf einer Pressekonferenz aus. 10000 Euro hatte Waterink kassiert, einen direkten Zusammenhang zum Wett-Skandal aber immer abgestritten und die Summe als »Leistungsprämie« deklariert. Seine Teamkollegen seien sogar völlig ahnungslos gewesen, erst am nächsten habe er das Geld, 500 Euro für jeden, verteilt. Wer der große Unbekannte war, ist mittlerweile bekannt: Wettmanipulator Ante Sapina. Der SCP suspendierte Waterink sofort und entließ den später vom DFB bis zum 31. Juli gesperrten Holländer im April fristlos.
Die Paderborner sahen sich in diesem Wett-Skandal erst als Opfer, nie als Täter und später mehr in der Rolle der Aufklärer. So seien die 500 Euro Prämie kein allzu großer Anreiz gewesen, denn sie entspräche laut Finke »nur acht Prozent der Prämie, die der Verein gezahlt hat«. Also kann das Geld nur ein kleiner Teil des »Betrugsmosaiks« sein, dachte sich der Vereins-Boss und zog den Hamburger SV mit in den Wett-Sumpf: »Wäre ich die Wett-Mafia, sichere ich so ein Spiel von drei Seiten ab. Schließlich bedürfe es neben dem Zutun des Schiris und der Siegermannschaft auch der Unterstützung des Verlierers.« Unterstellen wollte Finke den Hanseaten damals zwar nichts, sagte aber deutlich: »Passivität kann auch eine Form von Manipulation sein.«
Großrazzien mit Hausdurchsuchungen und immer wieder neue Enthüllungen - monatelang hielten die insgesamt 23 Manipulationen Fußball-Deutschland in Atem. Doch bereits am 11. Februar fällte das DFB-Sportgericht das erste Urteil und sprach den im Pokal ausgeschiedenen Hamburgern eine Gesamtentschädigung in Höhe von zwei Millionen Euro zu. Ein Jahr vor der WM drückte der größte Sportverband der Welt bewusst aufs Tempo. Die Welt zu Gast bei Freunden, die gerade mit der Aufklärung eines Manipulations-Skandals beschäftigt sind - ein Szenario, das der DFB unbedingt vermeiden wollte.
So lief auch für die Paderborner Spieler alles glimpflich ab. Sie wurden zwar im feinen Bad Lippspringer Parkhotel vom DFB-Kontrollausschuss verhört. Als sich die Berufsfußballer aber Anfang März bereit erklärten, das Doppelte ihrer Extrazahlung, also 20000 Euro, einem wohltätigen Zweck zu spenden, stellte der DFB auch dieses Verfahren ein und verzichtete auf eine öffentliche Verhandlung.
Nur noch einmal holte den inzwischen in die zweite Liga aufgestiegenen SC Paderborn 07 die Vergangenheit ein. Im Sommer, mitten in der Vorbereitung auf die erste Bundesliga-Saison nach 22 Jahren, wurde bekannt, dass noch eine zweite dubiose Prämie gezahlt worden war. Für den 4:2-Regionalligaerfolg über die Schalker Amateure am 5. Juni 2004 hatten die Spieler ebenfalls 10000 Euro von einem unbekannten Dritten kassiert. Was im Frühjahr recht war, war den letzten vier »Sündern«, die beim SCP noch unter Vertrag stehen, im Sommer billig: Lukas Kruse, Thorsten Becker, Markus Krösche und Markus Bollmann zahlten ebenfalls das Doppelte der Prämie an eine karitative Einrichtung.
Noch ist offen, wann Hoyzer seine Strafe anzutreten hat. Sein Anwalt Thomas Hermes kündigte den Gang in die Revision an, weil dieses Urteil weder tat- noch schuldangemessen sei. Erst wenn der Bundesgerichtshof das Urteil bestätigt, ist es rechtskräftig und kann vollstreckt werden. Richterin Kramer stellte in Aussicht, dass die Freiheitsstrafe im offenen Vollzug verbüßt werden könnte. Das heißt, Hoyzer, der von Sapina lediglich 67000 Euro als Anteil für seine falschen Pfiffe zugesteckt bekommen hatte, muss nur die Nächte im Gefängnis verbringen. Und in dieser Zeit haben die meisten Wettbüros sowieso geschlossen.

Ein Beitrag von
Matthias Reichstein

Artikel vom 31.12.2005