17.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die Figuren entstehen erst beim Schreiben

Eva Reichmann legt zweiten Bielefeld-Krimi vor

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Die erste Begegnung mit Wurstebrei war für Eva Reichmann eine Art Kulturschock. Was sie da nichtsahnend gräulich in der Auslage eines Bielefelder Fleischers liegen sah, schien ihr das Stadium der Genießbarkeit weit hinter sich gelassen zu haben. 25 Jahre ist das her, und noch immer isst die gebürtige Österreicherin keinen Wurstebrei. An ihrem Blick »von außen« lässt sie die Bielefelder (und alle anderen) aber teilhaben: in Form eines Krimis.

»Schönheitskorrekturen« heißt ihr zweites Buch, das soeben bei der »dahlemer verlagsanstalt« erschienen ist. Es spielt in Südafrika, Österreich - und eben Bielefeld. »Und für den Blick von außen sorgt Richard Altinger, Sonderermittler aus Wien«, erklärt die Autorin. Um den Kripomann, den sie in ihrem Erstling eingeführt hat, an den Teutoburger Wald zu locken, lässt Eva Reichmann ein österreichisches Ehepaar mit Wohnsitz in Ostwestfalen während seines Urlaubs in Südafrika verschwinden. Gemeinsam mit seinem Bielefelder Kollegen Kurt Godejohann, dem Kriminalkommissar Wolf Mendelsohn aus dem Sauerland und dem Postenkommandanten Georg Krallinger aus Fuschl löst Altinger den Fall, der in eine dunkle Vergangenheit zurückreicht und in dem sich diverse Mordfälle verknüpfen.
Bielefelder werden die eine oder andere »Location« vielleicht erkennen: Sparrenburg und Altstadt, Polizeipräsidium und Städtische Kliniken, Hoberge, die eine oder andere Kneipe und das Stadtarchiv, das auch Eva Reichmann für ihre Recherchen genutzt hat.
Auch wenn die 43-Jährige in ihrem Buch über Leichen geht, findet sie sich nicht mörderisch. »Bis ich mein erstes Buch 'Kalter Grund' geschrieben hatte, habe ich keine Krimis gelesen«, erzählt sie. Das sieht heute allerdings anders aus: Man muss ja wissen, was die Kollegen so machen. Und weil sie auf den Geschmack gekommen ist, ist ihr drittes Buch bereits in Arbeit. Es wird um einen Fleischskandal in ihrer österreichischen Heimat gehen.
Nach Bielefeld hat es die gebürtige Salzburgerin des Studiums und der Liebe wegen verschlagen: »Ich wollte unbedingt in Deutschland studieren, und als ich kurz vor dem Abitur einen Mann kennen lernte, der hier am Stadttheater engagiert war, habe ich das Studium eben in Bielefeld aufgenommen.« Sie widmete sich den Literaturwissenschaften, der Geschichte und Germanistik, promovierte, arbeitete freiberuflich und ist seit anderthalb Jahren wieder an der Universität im Arbeitsbereich Berufsorientierung und Schlüsselkompetenzen tätig.
Zum Schreiben kommt sie vor allem am Wochenende. Wild entschlossen ist sie daher, die Weihnachtstage zu nutzen, um ihr drittes Buch voranzubringen. Ihre Figuren legt sie nicht vorab fest: »Sie wabern eher diffus durch meinen Kopf und nehmen erst beim Schreiben Gestalt an.« Damit sie dabei nichts durcheinander bringt und aus einem kleinen Dicken kein großer Hagerer wird, hält Eva Reichmann ihre Charakteristika dann auf Zettelchen fest.
»Schönheitskorrekturen« (für 19 Euro zu erstehen) hat sie am Donnerstagabend in einer Lesung im Antiquariat Librarium, Jöllenbecker Straße, vorgestellt. Dabei hat sie allerdings nicht selbst gelesen, sondern die Unterstützung der Schauspielerin Barbara Michel erhalten. »Ich lese nämlich im ICE-Tempo«, lacht sie.

Artikel vom 17.12.2005