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Der Gesang einer verlorenen Zeit

Hommage an den französischen Salon


Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Der Salonkunst huldigte das zweite städtische Kammerkonzert. Wie in einem französischen Salon durfte sich auch der Zuhörer fühlen, der sich am Dienstagabend im passenden Ambiente des kleinen Oetkerhallensaals von brillant aufeinander abgestimmten musikalischen und literarischen Preziosen verwöhnen ließ.
Dargereicht wurden Lieder von Reynaldo Hahn (1875 - 1947), der mit seinen Gedichtvertonungen (Victor Hugo, Théodore de Banville, Paul Verlaine, Théophile Gautier, um nur einige zu nennen) Wort und Ton zu geschliffenen Diamanten formte. Beschwor Hahn, der Komponist und Chanteur de Salon, in seinen Liedern den Zauber des Augenblicks, so gibt sich sein Freund und Lebenspartner Marcel Proust (1871 - 1922) in seinem literarischen Werk als spitzfindig-ironischer Beobachter einer Kunstwelt.
Beides, die gefühlte Stimmung einer längst vergangenen Zeit, und die distanzierte Beobachtung einer Kunstwelt fanden in Melanie Kreuter (Sopran) und dem bekannten Film- und Fernsehschauspieler Manfred Zapatka (Rezitation) kongeniale Interpreten.
Unter der einfühlsamen Klavierbegleitung von Tobias Truniger beschwor Melanie Kreuter in facettenreicher, ausdrucksvoller Gesangskunst die Atmosphäre und Stimmung der Lieder herauf. Die Sängerin stellte dabei ihre großartige, wandlungsreiche Stimme ganz in den Dienst einer empfindsamen Klangrede, feierte lachend und weinend die Sehnsucht nach dem Glück und ließ im Wohlklang ihres Vortrags fast vergessen, dass das musikalische Stilleben aus Blüten und Blättern auch an Tod und Vergänglichkeit gemahnt.
Schelmisch und mit subtil anklingender Ironie ging Zapatka seinen Proust an. Seine Vortragskunst lag darin, die Personen in ihren Eigenarten zwar zu entlarven, niemals aber zu entblößen. - Zwei stimmungsvolle und gleichermaßen erbauliche Stunden fanden eine entsprechende Anerkennung.

Artikel vom 16.12.2005