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»Deutsche Stellen halfen nicht
bei el Masris Verschleppung«

Außenminister nimmt Stellung - Sammar in Syrien von BKA-Beamten verhört

Berlin/Straßburg (dpa). Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat Vorwürfe über eine Verstrickung deutscher Stellen im Entführungsfall Khaled el Masri entschieden zurückgewiesen.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier, hier im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, wies gestern im Bundestag alle Vorwürfe zurück, die alte Bundesregierung habe zu zögerlich gehandelt.Grüne sollen Auskunft über die Rolle Joschka Fischers geben.

»Die Bundesregierung, der Bundesnachrichtendienst, das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz haben keine Beihilfe zur Verschleppung des deutschen Staatsbürger El Masri geleistet«, sagte Steinmeier gestern im Bundestag. Anders lautende Spekulationen und Verdächtigungen seien verantwortungslos.
Dagegen haben Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) den Deutsch-Syrer Mohammed Haidar Sammar in Syrien verhört. Das bestätigte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gestern auf Nachfrage des Grünen-Innenexperten Hans-Christian Ströbele im Bundestag. »Mein Kenntnisstand ist, dass sich Mitarbeiter des BKA korrekt verhalten haben«, sagte Schäuble. Es sei nichts darüber in den Akten zu finden, dass Sammar in Syrien zuvor gefoltert worden sei. Das Verhör sei eine »unmittelbare Zusammenarbeit« zwischen Syrien und Deutschland gewesen. »Wir hatten damals eine Phase der Zusammenarbeit.«
Schäuble bestätigte auch, dass deutsche Sicherheitsbehörden im US-Gefangenenlager Guantánamo eine Person vernommen hätten. Dies seien keine BKA-Mitarbeiter gewesen. Anwälte des Bremers Murat Kurnaz hatten berichtet, ihr Mandant, der seit vier Jahren ohne Anklage in Guantánamo auf Kuba festgehalten wird, sei auch von Deutschen verhört worden.
Die bisherigen intensiven Nachforschungen hätten zudem keine Anhaltspunkte ergeben, dass Mitteilungen zu El Masri durch Sicherheitsbehörden des Bundes weitergeben worden seien, sagte Steinmeier weiter. Der frühere Kanzleramtschef verteidigte ausdrücklich den Austausch von Geheimdienstinformationen mit anderen Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien und auch den USA. Die Frage sei, »ob es angesichts der Tätergruppen von New York, Washington, Madrid oder London verantwortbar gewesen wäre, vorhandenes Wissen nicht auszutauschen«. Der Austausch von Informationen bedeute aber niemals eine wie auch immer geartete Billigung oder gar Rechtfertigung für die Verschleppung deutscher Staatsbürger, sagte Steinmeier.
Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler meinte, bei der Abwehr von Terror dürften die Grundlagen des Rechtstaats nicht preisgegeben werden. »Verschleppung und Folter sind als Methode zur Gefahrenabwehr nicht hinnehmbar.«
Ob die alte Regierung im Fall El Masri genug getan habe, könne auch nach den Ausschussanhörungen nicht gesagt werden. Im Fall El Masri sei ein deutscher Staatsangehöriger über Monate rechtlos gestellt worden, sagte Stadler.
Steinmeier sagte, dass bei den CIA-Flügen »in der Tat noch viele Fragen offen sind«. Er sehe aber auch mit Sorge, dass aus der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen würden. »Die Achtung von Recht und Gesetz ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält.«
Mehrere Politiker der Koalitionsparteien forderten die Grünen auf, sich bei dem ihrer Partei angehörenden Ex-Außenminister Joschka Fischer über den Sachverhalt beim Thema El Masri zu erkundigen.
Nach Ansicht des Fraktionschefs der Linkspartei, Gregor Gysi, werde im Antiterrorkampf das Völkerrecht immer stärker verletzt. So seien Gefangenenlager wie das der USA in Guantánamo auf Kuba nicht hinnehmbar.
In der Affäre um angebliche CIA-Geheimgefängnisse in Europa hat auch das EU-Parlament eine lückenlose Aufklärung der Anschuldigungen gefordert. Gleichzeitig verlangten die Abgeordneten im Kampf gegen den Terrorismus die vorbehaltlose Wahrung der Menschenrechte. »Die amerikanischen und die betroffenen europäischen Stellen sind aufgefordert, schnellstens alle relevanten Informationen offen zu legen«, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Elmar Brok (CDU/Bielefeld), in Straßburg.
Der Fraktionschef der Sozialisten im Europaparlament, Martin Schulz (SPD), verlangte genaue Angaben zu den angeblichen Festnahmen, Verschleppungen und Verhören. Sollten Organe der EU oder der EU-Staaten dazu beigetragen haben, dass es illegale Gefängnisse und Folter in Europa gab, müssten diese Länder entsprechend bestraft werden.

Artikel vom 15.12.2005