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Der Betrieb dreht sich
mehr um Einzelstars

Blick auf das Opernjahr mit Chancen und Gefahren

Von Stephan Maurer
Hamburg (dpa). Der Wirbel um Anna Netrebko in diesem Sommer in Salzburg illustrierte es eindrucksvoll: Mehr denn je dreht sich der Opernbetrieb um einzelne Stars. Das ist Chance und Gefahr zugleich.
Anna Netrebko als Violetta in »La Traviata« in Salzburg.Foto: dpa

Chance, weil sich in Zeiten knapper Kassen möglicherweise ein breiteres Publikum für die Oper gewinnen lässt - Gefahr, weil die künstlerische Leistung in den Hintergrund zu treten droht. Bei der Festspielpremiere von »La Traviata« in Salzburg mit Netrebko, Rolando Villazón und Thomas Hampson stimmte zum Glück beides - die Stars präsentierten sich in Bestform und sorgten für einen der Höhepunkte des Opernjahres.
Das Spiel mit bekannten Namen kann aber auch gründlich schief gehen. Filmregisseurin Doris Dörrie erfuhr das mit ihrem Operndebüt »Rigoletto« in München ebenso wie ihr Kollege Bernd Eichinger mit »Parsifal« an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin.
Ansonsten prägten personelle Wechsel und Weichenstellungen den Betrieb an den großen Häusern. In Hamburg verabschiedete sich Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher. Mit Regisseur Peter Konwitschny hatte er in seinen acht Amtsjahren einen idealen Partner gefunden. Ihre eigenwilligen, von heftigen Kontroversen begleiteten Produktionen dürften in die Annalen der Staatsoper eingehen, die zum »Opernhaus des Jahres« gekürt wurde. Kein leichtes Erbe für Metzmachers Nachfolgerin Simone Young - doch die Australierin eroberte mit ihrem Temperament die Herzen der Hamburger im Sturm.
Heftige Turbulenzen gab es zeitweise an der Bayerischen Staatsoper in München. Der Freistaat löste den Vertrag mit dem ursprünglich als neuer Intendant vorgesehenen Christoph Albrecht nach Problemen mit dem neuen Opernmusikchef Kent Nagano überraschend auf. Opernintendant in der Nachfolge von Sir Peter Jonas soll nun der Wiener Burgtheaterchef Klaus Bachler werden. Auf Neubeginn stehen die Zeichen auch an der seit Jahren sehr erfolgreichen Staatsoper Stuttgart: Intendant Klaus Zehelein geht nach der laufenden Spielzeit 2005/06, aus Hannover kommt Albrecht Puhlmann. Mit Busonis »Doktor Faust« gelang Stuttgart die »Aufführung des Jahres«.
Mit Millionenschulden muss sich die Semperoper Dresden herumschlagen. Als Grund für das 3,3-Millionen-Euro-Loch wurden Einnahmenverluste nach der Flutkatastrophe 2002 genannt, als die Oper wochenlang nicht spielen konnte. Trotz finanzieller Sorgen schwimmen die Dresdner aber auf einer Welle des Erfolges: Die Premieren von Verdis »Macbeth« und der Strauss-Oper »Die Liebe der Danae« wurden bejubelt.
Aufsehen erregte in Berlin die Komische Oper mit Puccinis »Madame Butterfly«. Der neue Generaldirektor der Berliner Opernstiftung, Michael Schindhelm, agierte in seinem ersten Amtsjahr eher hinter den Kulissen. Zu seiner größten Herausforderung dürfte die Sanierung der Staatsoper gehören, für die 160 Millionen Euro notwendig sind. An der Deutschen Oper Berlin absolvierte Intendantin Kirsten Harms ihre erste Spielzeit. Sie musste sich mit geplanten Produktionen begnügen.
Dass China nicht nur ein viel versprechender Markt für deutsche Konzerne ist, zeigte das Staatstheater Nürnberg: Die Franken exportierten ihre aktuelle Inszenierung von Wagners »Ring des Nibelungen« nach Peking. Die allererste »Ring«-Aufführung erregte großes Aufsehen. Denn mit den wirtschaftlichen Beziehungen wächst auch das Interesse an deutscher Musik und Kultur.

Artikel vom 15.12.2005