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Strafanzeige nach
Baustellen-Razzia

Gewerkschaft greift Landrat an

Von Christian Althoff
Minden (WB). Nachdem Fahnder bei einer Razzia auf der Baustelle des Mindener Klinikums konkrete Hinweise auf illegale Beschäftigung festgestellt haben, will die IG Bau heute Strafanzeige gegen Landrat Wilhelm Krömer sowie den Klinikgeschäftsführer Gerald Oestreich erstatten.

»Wir wollen von der Staatsanwaltschaft überprüfen lassen, ob die beiden Bauherren tatenlos zusehen durften, nachdem sie von Gesetzesverstößen erfahren hatten«, erklärte gestern Gewerkschaftssekretär Bodo Matthey vom IG Bau-Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe.
80 Fahnder der Bielefelder Zollabteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit hatten in der vergangenen Woche 250 Arbeiter auf der Großbaustelle überprüft. Sie hatten vor allem bei ausländischen Arbeitern Indizien für Verstöße gegen die Mindestlohnbestimmungen aber auch Hinweise auf Schwarzarbeit und Leistungsmissbrauch festgestellt. Bodo Matthey: »Bereits Anfang November haben wir dem Kreisbaudezernenten, dem Klinikgeschäftsführer sowie dem Projektleiter Arbeitsverträge von Eisenbiegern einer deutschen Firma vorgelegt, in denen ein Stundenlohn von sieben Euro vereinbart war - 3,20 Euro weniger als der gesetzliche Mindestlohn.« Nach diesem Gespräch habe sich auf der Baustelle aber nichts geändert. Die IG Bau habe inzwischen für sechs Arbeiter Klage beim Arbeitsgericht in Minden eingereicht, um die Differenz zum Garantielohn zu erstreiten.
Projektleiter Hermann Schlechte wies gestern die Vorwürfe des Gewerkschafters zurück: »Alle Unterlagen, die uns die IG Bau zur Verfügung gestellt haben, sind an den Zoll weitergegeben worden. Jetzt müssen wir abwarten, was die Auswertung durch den Zoll ergibt.«
Gewerkschaftssekretär Matthey sagte, diese Ermittlungen könnten noch Monate dauern: »Bis dahin steht der Klinik-Rohbau. Man hätte jetzt dem bayerischen Generalunternehmer kündigen und den arbeitslosen Bauarbeitern aus Ostwestfalen eine Chance geben müssen.«
Eine Sprecherin der Oberfinanzdirektion Köln erklärte, generell mache sich ein Bauherr nicht strafbar, wenn ein von ihm beauftragtes Unternehmen nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn zahle: »Allerdings kann der Generalunternehmer von den Arbeitern haftbar gemacht werden, wenn eine von ihm beauftragte Firma nicht den Mindestlohn zahlt. Der Generalunternehmer muss dann unter Umständen die Differenz zum Garantielohn erstatten.«
Neubau-Projektleiter Hermann Schlechte hat unterdessen Änderungen bei den Zugangskontrollen zur Baustelle angekündigt. Nach dem Erfassungssystem der Bauleitung hätten am vergangenen Mittwoch 142 Arbeiter vor Ort sein müssen, die Fahnder hatten jedoch 250 Arbeiter angetroffen.

Artikel vom 15.12.2005