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Schon wieder Fleisch-Razzia

Kühlhaus erneut durchsucht - Gefährliche Schlachtabfälle eingelagert

Von Ernst-Wilhelm Pape
Melle (WB). Schon wieder eine Fleisch-Razzia in Niedersachsen: Beamte der Staatsanwaltschaft Essen und der Polizei Gelsenkirchen haben gestern erneut ein Kühlhaus in Melle (Kreis Osnabrück) durchsucht.

Es bestehe der Verdacht, dass der Großhändler Uwe Domenz aus Gelsenkirchen auch mit Fleischabfällen gehandelt habe, sagte Oberstaatsanwältin Angelika Matthiesen dieser Zeitung. Es werde wegen gewerbsmäßigen Betruges ermittelt. Angaben zu sichergestellten Beweisstücken will die Staatsanwaltschaft erst heute machen. Domenz habe in seinen erneuten Vernehmungen zwar weitere Angaben zur Sache gemacht, aber kein Geständnis abgelegt, sagte Matthiesen.
In dem Kühlhaus in Melle waren bereits von niedersächsischen Kontrolleuren im November 90 Tonnen Fleisch beschlagnahmt worden. Es handelte sich um Warenbestände des Händlers Uwe Domenz und der Firma Hug GmbH aus Horben in Baden-Württemberg. Die Firma Hug betreibt im Internet eine »Fleischbörse«. Gegen den Inhaber der Firma, einen gelernten Metzger, ermittelt bereits die Staatsanwaltschaft Freiburg.
39 Proben des sichergestellten Fleisches waren vom niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit untersucht worden. Bei 19 Proben wurde eindeutig verdorbenes Fleisch festgestellt.
Zwischen Domenz und Hug bestehen Geschäftsbeziehungen. Aus beschlagnahmten Lieferscheinen geht hervor, dass Domenz von Hug 49 Tonnen Fleischabfälle bezogen hat, die eindeutig nicht zu Lebensmitteln verarbeitet werden durften. Aus den Fleischabfällen darf lediglich Tierfutter hergestellt werden. Es handelt sich unter anderem um Lammfett, Limafleisch (Fleischfetzen), Stichfleisch und Schaffett. Als Herkunftsländer sind Spanien, Belgien und Italien angegeben.
27 Tonnen Abfälle waren im Oktober 2004 in Melle eingelagert worden und 22 Tonnen im Juni 2005. Besonders gefährlich ist Stichfleisch, wenn es zu Lebensmitteln verarbeitet wird. Stichfleisch wird beim Schlachten mit dem Messer stark durchblutet und kann deshalb hoch mit Keimen belastet sein. Pro Schwein fallen 200 Gramm Stichfleisch an, die dem Bauern bei der Bezahlung des Tieres abgezogen werden.
Stichfleisch hätte im Meller Kühlhaus gar nicht gelagert werden dürfen, sagte Dr. Gert Hahne, Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. In dem Kühlhaus mit EU-Zulassung dürfe nur Fleisch gelagert werden, das für die Weiterverarbeitung zu Lebensmitteln geeignet ist.
Domenz hat nach einem internen Bericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit auch sogenanntes Putenbaaderfleisch (Fleischfetzen von Geflügel) an dänische Betriebe geliefert. Baaderfleisch dürfe aber lediglich innerhalb Deutschlands gehandelt und nicht ausgeführt werden, sagte Hahne. Aus dem Bericht des Bundesamtes geht auch hervor, dass Domenz Fleisch unbekannter Herkunft in Melle eingelagert hat und vom 11. August bis 17. November 2005 - vor der ersten Razzia - 25,6 Tonnen Fleisch wieder ausgelagert hat. Darunter waren auch 1,3 Tonnen Pferdefleisch aus Brasilien.

Artikel vom 15.12.2005