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»CIA-Flüge vermutlich noch immer«

Heute im Gespräch: Martin Schulz, SPD-Fraktionschef im Europaparlament

Straßburg (WB). Martin Schulz, der streitbare Vorsitzende der Sozialisten im Europaparlament, würde sich »auf einen Konflikt mit George Bush schon freuen«. Mit dem Aachener Europabgeordneten sprach Reinhard Brockmann über die Aufklärung der CIA-Affäre.
Martin Schulz: »Auf einen Konflikt mit George Bush würde ich mich schon freuen.«

Es soll mehrere hundert geheime CIA-Gefangenen-Flüge gegeben haben, mehr weiß man nicht. Kann Europa den Fall aufklären? Schulz: Es ist klar, dass es die Flüge gegeben hat. Wahrscheinlich finden sie immer noch statt. Wichtig ist die Frage: Gibt es auf dem Territorium der Europäischen Union außergerichtliche und extralegale, also rechtswidrige Gefängnisse? Und werden dort Verhörmethoden angewendet, die nicht im Einklang mit der Antifolterkonvention und der Grundrechte-Charta der EU stehen?

Kann das Parlament einen Untersuchungsausschuss einsetzen?Schulz: Es wird zunächst ein nichtständiger Ausschuss ein, in dessen Verlauf ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden könnte.

Können Sie Vertreter der US-Administration vorladen zu einer - sagen wir - peinlichen Befragung?Schulz: Das ist in einem nichtständigen Aussschuss einfacher, weil die US-Regierung Schwierigkeiten haben dürfte, eigene Mitarbeiter vor einen Untersuchungsausschuss eines ausländischen Parlaments zu schicken.

Sie haben schon Silvio Berlusconi hier in Straßburg das Fürchten gelehrt, müssen sich sie Amerikaner warm anziehen?Schulz: Ja klar, in diesem Parlament ist alles möglich. Es ist allerdings nicht üblich, dass Fraktionsvorsitzende in solchen Ausschüssen selbst aktiv werden. Wenn es allerdings nötig ist: Auf einen Konflikt mit George Bush würde ich mich schon freuen.


Berlin zögert, den Fall el Masri zu untersuchen. Ist Europa die bessere Ebene für dieses Thema?Schulz: Mit Sicherheit. El Masri ist ein Fall unter vielen. Es geht ja auch vor allem darum zu klären, ob Mitgliedsstaaten der EU oder Kandidaten-Staaten in Zusammenarbeit mit den USA solche Gefängnisse betrieben haben. Angenommen, ein Staat, der den Beitritt wünscht, hat aktive Beihilfe zu solchen Methoden geleistet, dann hätte das erhebliche Auswirkungen. So etwas kann nicht der Bundestag diskutieren, das muss das Europaparlament tun.

Polen soll in Masuren und im Süden des Landes Camps geduldet haben. Ist die Mitgliedschaft gefährdet?Schulz: Ein Ausschluss aus der EU ist schwierig, aber Sanktionen bis zur Aussetzung des Stimmrechts sind schon möglich.

Artikel vom 14.12.2005