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Ehrgeizige Ziele: Energie gewinnen durch Einsparen

Europaparlament verabschiedet Richtlinie - Mechtild Rothe federführend

Von Reinhard Brockmann
Straßburg (WB). Europa soll bis 2017 mindestens neun Prozent Energie einsparen. Dieses für alle 25 Mitgliedsstaaten einheitliche Ziel hat das Europaparlament in Straßburg gestern mit den Stimmen aller Fraktionen beschlossen.
Europaabgeordnete Mechtild Rothe: Energie effizienter einsetzen.

Die zweijährige Vorarbeit für die einem Gesetz entsprechende Richtlinie leistete federführend die heimische Europaabgeordnete Mechtild Rothe (SPD).
Energieeinsparung sei vor allem durch effizientere Technologie möglich, unterstrich der Brüsseler Kommissar Andris Piebalgs und ergänzte: »Das ist kein Hindernis für Wachstum.« Neben den Leitlinien für öffentliche Ausschreibungen und Beschaffungen setzt der Lette besonders auf transparentere Stromrechnungen für die Verbraucher. Jeder Europäer soll künftig an der eigenen Energierechnung ablesen können, was er mit besserer Technologie sparen könnte.
Berichterstatterin Rothe aus Bad Lippspringe (Kreis Paderborn) erwartet durch die Sparvorgabe eine Art Sonderkonjunktur. In Ostwestfalen-Lippe bedeute der Zwang zur Modernisierung neue Aufträge für Heizungsbauer, Klimatechniker und zahlreiche weitere Mittelständler bis zum Maschinenbau. Nicht die großen Energieerzeuger, wohl aber Dienstleister wie Transportbetriebe, Stadtwerke und andere Versorger vor Ort seien daran interessiert, effektivere Technologien einzubringen.
Die großen Energieerzeuger wollten trotz gegenteiliger Erklärungen im Grunde keine Energieeinsparungen, weil das weniger Umsatz bedeute, erklärte Claude Turmes für die europäischen Grünen. Das sei auch der wahre Grund dafür, weshalb RWE im Beratungsverfahren »mit aller Härte« gegen verbindliche Sparvorgaben angegangen sei.
»Die Zeit der Sonntagsreden über den effizienteren Einsatz von Energie ist vorbei - jetzt muss gehandelt werden«, sagte Rothe vor dem Europaparlament. Es sei nicht nur das klare Ziel gesetzt worden, dass jedes Mitgliedsland von 2007 bis 2017 in drei Teilschritten das Einsparziel erreichen müsse. Deutschland und alle anderen EU-Staaten müssten auch regelmäßig Aktionspläne vorlegen. Von der Förderung besonders ernergiesparender Geräte, über ein Gebäudesanierungsprogramm - wie im Berliner Koalitionsvertrag vorgesehen - bis hin zu autofreien Tagen könne die nationale Ausgestaltung ausfallen, sagte Rothe.
Es reiche zum Beispiel nicht aus, einen modernen Kühlschrank anzuschaffen. Wichtig sei, dass das alte Modell auch verschrottet werde - wie in Großbritannien bereits Vorschrift. Wenn nämlich der alte Energiefresser einfach im Keller weiter betrieben werde, sei nichts erreicht.
Unter der Maßgabe, dass keine neue Bürokratie geschaffen werde zur Messung von Verbräuchen und Einsparungen, stimmte für die Christdemokraten Herbert Reul aus NRW der Richtlinie zur Energieeffizienz und Energiedienstleistungen zu. Der so genannte Benchmark-Ansatz, der die Unterschiedlichkeit in Europa berücksichtige, sei dazu gut geeignet.
Bis zum Beginn des Energie-Countdowns 2007 wird die Brüsseler Kommission Details zum Messverfahren festlegen. Vorgesehen ist, dass ein erster Teilschritt in vier Jahren, zwei weitere in je drei Jahren unternommen werden. Am Ende soll eine Reduzierung des Gesamtenergieverbrauchs einer Landes von 9 Prozent stehen. Experten halten das Ziel für erreichbar. Das bei Energieeinsparungen führende Dänemark hat für sich die Latte auf 1,7 Prozent Reduzierung pro Jahr besonders hoch gelegt.
Mechtild Rothe hält bis zum 20 Prozent Einsparungen allein durch »wirtschaftlich noch zu verkraftende Effizienzgewinne« langfristig für möglich. Käme es zu diesem bislang nur theoretischen Wert in ganz Europa, entspräche das einer Menge, die Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland und die Niederlande derzeit allein verbrauchen.

Artikel vom 14.12.2005