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»Weniger Staat geht nicht«

Vorstand des Ev. Johanneswerks lud zur Jahrestagung


Schildesche (WB). »Weniger Staat geht nicht«, sagte Pastor Dr. Udo Krolzik, Vorsitzender des Vorstands des Ev. Johanneswerks, auf der Jahrestagung 2005 des großen diakonischen Trägers am Mittwoch in Bielefeld. Vor 164 leitenden Mitarbeitern sowie 32 ehemaligen Leitenden und fünf Verwaltungs- und Gremienmitgliedern trug Krolzik am Nachmittag seinen diesjährigen Bericht vor.
Die Diakonie werde sich für einen Staat einsetzen, der den sozialen Bereich einschließe. Dass nur Wirtschaftswachstum Arbeitsplätze und soziale Sicherung schaffe, wovon zum Beispiel Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt überzeugt ist, hält Krolzik für unzeitgemäß angesichts der aktuellen Entwicklungen. Firmen steigerten ihre Gewinne und entließen trotzdem Mitarbeiter, dem demographischen Wandel werde noch immer nicht ausreichend Rechnung getragen. »Nur mühsam nehmen wir gedanklich Abschied von der Arbeitsgesellschaft des alten Typs«, die aber schon an allen Ecken ausgehöhlt sei, so Krolzik. »Doch in die Idylle führt kein Weg mehr zurück.«
Jeder Einzelne müsse Verantwortung übernehmen, und jeder Einzelne müsse einsehen, »dass Menschen tatsächlich auf Zuwendung angewiesen sind.« Im Ev. Johanneswerk sei der Begriff der Mitleidenschaft gelebte Unternehmenskultur im Sinne einer »Hinsehverpflichtung« und dem daraus folgenden helfenden diakonischen Handeln. In Zusammenarbeit mit vier weiteren Stiftungen und Vereinen sei mit der Bertelsmann Stiftung ein Netzwerk »Soziales neu denken« entstanden. Hier und auch in der Öffnung hin zur Sozialwirtschaft werde die Förderung des Sozialstaates durch die Diakonie sichtbar. Mit Praktika für Manager und Schüler der Oberstufe, beides Projekte der Johanneswerk-Stiftung mitLeidenschaft, werde soziale Arbeit begreifbar. Als weitere Beispiele nannte der Vorstandsvorsitzende die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten nach Hartz IV. Außerdem würden die Arbeitsfelder des Johanneswerks angepasst im Sinne eines Umsteuerns von stationär nach ambulant.
Dazu gehört die quartiersnahe Versorgung in einem Stadtteil oder einer Region, die Menschen mit passgenauen Angeboten individuell benötigte Hilfe bietet. Das Johanneswerk hat Dr. Stefan Sell, Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Koblenz als externen Referenten gewonnen.
Der gelernte Krankenpfleger war unter anderem Referent für Arbeitsmarktpolitik im Bundeskanzleramt und Leiter eines Arbeitsamtes. Er referierte über »Die gegenwärtige und erwartbare sozialpolitische Entwicklung als Herausforderung für die Sozialwirtschaft.«

Artikel vom 15.12.2005