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Klinikärzte
proben den
Aufstand

Arbeitsgericht stoppt Streik

Bad Oeynhausen (WB/dpa). Mehrere hundert Krankenhausärzte haben gestern in NRW gegen ihre Arbeitsbedingungen protestiert. Ein ursprünglich für 14 nordrhein-westfälische Krankenhäuser geplanter Streik war jedoch in der Nacht abgesagt worden.

Das Kölner Landesarbeitsgericht (LAG) hatte am Montagabend auf Antrag der Kölner Kliniken den Ärztestreik als unzulässig erklärt, weil nach Ansicht der Richter noch ein gültiger Tarifvertrag besteht. Daher herrsche Friedenspflicht.
Obwohl diese Entscheidung zunächst nur für den Kölner Fall Geltung hatte, entschloss sich der Krankenhausärzteverband Marburger Bund (MB), die bundesweiten Streikaktionen kurzfristig abzusagen: »Sonst hätten den Ärzten massive arbeitsrechtliche Konsequenzen gedroht«, erklärte Michael Helmkamp, der Sprecher des Marburger Bundes in Nordrhein-Westfalen.
Die bundesweit 65 00 Ärzte der kommunalen Krankenhäuser wehren sich gegen das Vorhaben der Städte und Kreise, sie aus dem Bundesangestelltenvertrag in den Tarifvertrag öffentlicher Dienst zu überführen. »Das bringt uns massive Einkommensverluste«, sagte Ärztin Heidi Jungheim aus Bad Oeynhausen. Am dortigen städtischen Krankenhaus war ein neunstündiger Streik geplant gewesen, während in Warburg (Kreis Höxter) Ärzte des St.-Petri-Hospitals die Arbeit für vier Stunden niederlegen wollten - bis die Streikabsage kam. In Oeynhausen wie in Gütersloh nutzten Mediziner daraufhin ihre Pausen, um gegen lange Arbeitszeiten und die ihrer Meinung nach unangemessene Bezahlung zu demonstrieren. Hans Wilhelm Tacke, Personalleiter des städtischen Krankenhauses Bad Oeynhausen: »Wir haben großen Respekt vor der Leistung der Ärzte, aber die Kassen sind nun einmal leer.«
Die Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) sah sich vom Kölner Richterspruch bestätigt. Sie hatte schon immer die Streikandrohung und die Urabstimmung als unrechtmäßig gewertet. Es gebe einen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), und es herrsche daher »Friedenspflicht«, argumentiert VKA-Chef Thomas Böhle. Für ihn sind die Arbeitgeber den Krankenhaus-Ärzten mit dem TVöD schon weit entgegengekommen: Sie verdienen nach seinen Worten »mehr als alle anderen Akademiker«.
Der Marburger Bund hat in dem Juristenstreit das Risiko möglicherweise falsch eingeschätzt. Er klammert sich an den suspendierten, aber nie gekündigten Bundesangestelltentarif (BAT). Genau das bemängelten die Kölner Richter und sahen in einem Streik einen Verstoß gegen die für die Tarifparteien geltende Friedenspflicht.
Der Marburger Bund fordert für die Krankenhausärzte einen Tarifvertrag, der auf die Belange der Ärzte zugeschnitten ist und deren Situation verbessert. »In NRW können 850 offene Arztstellen an kommunalen Krankenhäusern nicht besetzt werden«, sagte Helmkamp. Das zeige, wie wenig attraktiv der Arztberuf geworden sei. Seite 4: Kommentar
Seite 5: Ärzte protestieren

Artikel vom 14.12.2005