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Swinging Bach - historisch modern

European Union Baroque Orchestra

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Dem EUBO eilt der Ruf voraus, ein »Jungbrunnen für die etablierte Barockszene der historischen Aufführungspraxis« zu sein. Klingt nicht nur ein wenig exotisch, ist es auch.

Denn das European Union Baroque Orchestra, in dem die besten Nachwuchskräfte der Alten Musik versammelt sind, gibt sich nicht nur äußerlich bunt, lässig und leger, es pflegt auch einen Stil, der bereits in Richtung Jazz tendiert.
Jedes Jahr lädt das EUBO 100 talentierte junge Barockmusiker aus ganz Europa ein, an einem der beiden dreitägigen Vorspielkurse teilzunehmen. Die 21 erfolgreichen Kandidaten, die durchschnittlich 24 Jahre alt sind, verbringen anschließend sechs Monate miteinander. Mit international führenden Barockspezialisten, darunter Lars Ulrik Mortensen, gehen sie auf Tournee und geben nach einer Probenphase mehrere Konzerte europaweit und in der ganzen Welt -Êso auch in Bielefeld, wo das Ausnahmeorchester jetzt im Rahmen der Pro Musica-Konzertreihe in der Oetkerhalle zu bestaunen war.
So gewöhnlich die Programmpunkte (Telemann-Suite »La Bourse«; Bach-Cembalo Konzerte BWV 1052 und BWV 1060; Muffat-Sonate Nr. 5), so spektakulär und einzigartig der Klang, den Mortensen in exaltiertem Dirigat dem überwiegend aus Frauen bestehenden Orchester entlockt.
Kleinteilig ausphrasiert, affektenreich, konzise und hoch virtuos gehen die Interpreten dabei zu Werke. Ihre Annäherung an historische Klangbilder verkommt indes nie zum Selbstzweck, sondern klingt trotz altem Instrumentarium erstaunlich modern.
Offenbar liegt es an der ausgefeilten rhythmischen Akzentsetzung und an der facettenreichen Behandlung der Tempi, dass Mortensen stets eine swingende Komponente, eine motorisch treibende Kraft mit ins Spiel bringt. Vornehmlich bei den Cembalo-Konzerten fällt dies ins Gewicht, zumal der Klang hier merkwürdig trocken blieb, das Cembalo in BWV 1052 gar Schwierigkeiten hatte, durchzudringen. Andererseits fordert Mortensen das Ohr zum genauen Hinhören heraus und schenkt dem Hörer somit Gelegenheit, viele liebevolle Details wahrzunehmen. In jedem Fall aber förderten Mortensen und seine Barocktalente aus zwölf europäischen Nationen jede Menge Esprit zutage, was manch Vertrautes völlig neu klingen ließ. Für herzlichen Applaus gab's noch ein Paradebeispiel barocker Affetto-Kunst: Händel (opus 6, Nr. 5, Siciliana) hätte seinen Spaß dran gehabt.

Artikel vom 14.12.2005