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Ein »Wühler« zum Schutz der Umwelt

Aus dem Alltag des Landschaftswächters Hanspeter Stüven - Berichte an das Ordnungsamt

Von Markus Poch
(Text und Fotos)
Brackwede (WB). 69 Jahre alt, grau melierter »Mecki«-Kurzhaarschnitt, wachsame Augen, einen Feldstecher um den Hals, sein altes Herrenfahrrad immer griffbereit - das ist Hanspeter Stüven, Landschaftswächter im Stadtbezirk Brackwede-Ost: »Ich bin ein ekelhafter Typ«, sagt er. »Ich wühle überall herum, wohin sich keiner traut.«

In Wirklichkeit ist Stüven sympathisch, witzig und weltoffen. Mit 15 war er jüngster Vogelberinger der Vogelwarte Helgoland, später gründete er das flächenmäßig größte Seevogelbrutschutzgebiet »Rantum Becken« auf Sylt, zum Wildwasserfischen fährt er schon mal gerne nach Kanada, Neuseeland oder an die finnisch-russische Grenze. Er ist Hobby-Koch und -Imker, Gartenfreund und kennt fast alles, was da rankt, knospt, kreucht und fleucht. Und gerade deshalb, weil er die Natur so liebt, engagiert er sich seit 2000, dem Jahr seiner Pensionierung, ehrenamtlich als Landschaftswächter für die Stadt Bielefeld.
In dieser Funktion kann der gelernte Drucker - er arbeitete fast 40 Jahre lang für die Firma Graphia Hans Gundlach - mitunter recht grantig wirken, vor allem dann, wenn es »seiner« Natur an den Kragen geht. Stüvens Beobachtungsrevier ist das große Gebiet zwischen Gütersloher Straße und Hermannsweg/Kammweg beziehungsweise zwischen Einschlingen und Sennefriedhof, im Süden bis Isselhorst. Zweimal wöchentlich startet er zu mehrstündigen Radtouren durch das Terrain, um vorsätzliche und unfreiwillige Umweltsünder zu ertappen.
»Wenn jemand einen Weidenzweig oder ein bisschen Erika mit nach Hause nimmt, dann drücke ich meistens ein Auge zu«, sagt Hanspeter Stüven. »Aber wenn die Leute mit Sträußen aus dem Wald kommen, die sie kaum umfassen können, dann muss ich mich einschalten.« Genauso interveniert er bei Spaziergängern, die in Naturschutzgebieten ihre Hunde nicht anleinen, bei Reitern, die mit ihren Pferden durch Schonungen trampeln, oder Bürgern, die mit Gartenabfällen oder anderem Müll ganze Biotope zuschmeißen. Laut Satzung muss er »stets Freundlichkeit walten lassen« und Überzeugungs- bzw. Aufklärungsarbeit leisten. »Ich darf die Leute weder bestrafen noch ihnen Strafe androhen«, bekräftigt der rüstige Rentner, der seine Erlebnisse direkt dem Forst- oder Ordnungsamt meldet. Manches Mal sei es ihm schon sehr schwer gefallen, nicht aus der Haut zu fahren.
Stüven erinnert sich an einen Mann, den er dabei erwischte, wie er einen Kühlschrank und vier Autoreifen »im Unterholz« verschwinden lassen wollte. Oder an einen anderen, der bereits mehrere blaue Müllsäcke voller Computerteile in der Böschung entsorgt hatte. Der Landschaftswächter machte sich die Mühe, den Inhalt der Säcke zu durchsuchen, und fand prompt eine Verkaufsquittung mit dem Namen des Täters. Der staunte später nicht schlecht über den Anruf des Ordnungsamtes...
Hanspeter Stüven geht auch gerne mal baden - allerdings entscheidet er am liebsten selbst, wann und wo. Manchmal jedoch wird ihm diese Entscheidung abgenommen: Bei ornithologischen Beobachtungen ist er mal in eine Kläranlage gefallen. Und mit Schaudern erinnert er sich an ein Erlebnis am Brackweder Tüterbach: »In Gummistiefeln watete ich durch den Abflussgraben und entdeckte plötzlich einen Hartschalenkoffer. Da ich prinzipiell neugierig bin, versuchte ich, ihn aufzumachen. Es hätten ja Geldscheine oder Leichenteile drin sein können...« Und was war tatsächlich im Koffer? Der Kadaver eines mittelgroßen Hundes, den tausende von Fliegenmaden bereits zu neuem Leben erweckt hatten. Stüven erschreckte sich dermaßen, dass er das Gleichgewicht verlor und zu seinem fürchterlichen Fund ins Wasser stürzte.
Das Bielefelder Umweltamt will das Engagement seiner Helfer künftig stärker unterstützen. Im Frühjahr 2006 sollen sie eine neue Broschüre mit Informationen zur Landschaftswacht, mit Umwelttipps und Kurzporträts zur eigenen Person an die Hand bekommen. Vielleicht hilft die bei der weiteren Überzeugungsarbeit. Neben Hanspeter Stüven sind Volker Menzel (Brackwede Nordwest), Rudolf Bondzio (Senne-Nord), Heiko Rohde (Senne-Süd), Thomas Fischer (Sennestadt-Nord) und Erika Petring (Sennestadt-Süd) im Bielefelder Süden als Landschaftswächter aktiv.

Artikel vom 14.12.2005