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Zwischen Andacht und Freudentaumel

Weihnachtskonzerte der Peterskantorei

Von Uta Jostwerner
Kirchdornberg (WB). Dass die Geschichte großer deutschsprachiger Kirchenmusik nicht allein aus dem Kapitel Johann Sebastian Bach besteht, stellt Hans-Martin Knappe alljährlich kurz vor Weihnachten mit seiner kleinen Peterskantorei eindrucksvoll unter Beweis. Am dritten Adventssonntag standen so auch wieder weihnachtliche Werke abseits des gängigen Repertoires auf dem Programm.

Einzig Arcangelo Corellis Concerto grosso in g-Moll op. 6 Nr. 8 bildete da eine Ausnahme. Doch Knappe und seine aus dem gesamten Bundesgebiet herbeigerufenen Spezialisten für Alte Musik präsentieren dieses für die Weihnachtsmesse bestimmte »Concerti di Natale« in nur selten zu hörender Authentizität. In minimaler Barockbesetzung und auf historischem Instrumentarium belebten sie das Werk mit Klangsinnlichkeit auf der einen und formalanalytischem Musiziergeist auf der anderen Seite. Für Spannung im wechselnden Melodiefluss sorgte die kontrastvolle Behandlung der Tempi.
Umrahmt freilich wurde der instrumentale Weihnachtsklassiker von zwei attraktiven Chorwerken geringeren Bekanntsheitsgrades. Das Kirchdornberger Publikum schätzt den »Ausgrabungseifer« seines Kantors und strömt stets zahlreich in die kleine Peterskirche. Beide Konzerttermine waren ausverkauft.
Dass viele Werke Georg Gebels des Jüngeren heute verschollen sind, »weil ein jeder, der sich etwas von ihm hatte aufsetzen lassen, solches als was sehr schönes für sich allein aufhob«, wie sein Biograf Friedrich Wilhelm Marpurg zu Protokoll gab, muss als musikgeschichtliche Katastrophe gelten. Denn bereits sein Weihnachtsoratorium aus dem Jahr 1748 zeigt eindrucksvoll, dass Gebel den Umgang mit den musikdramatischen Floskeln seiner Zeit souverän beherrschte, dass er leicht eingängig und subjektiv zu berühren wusste.
Hans-Martin Knappe erwies sich als engagierter Arrangeur des verblüffenden Ideenreichtums eines bis vor kurzem vergessenen Komponisten und formte zwischen den Eckpfeilern eines festlichen Pauken- und Trompetenglanzes ein stimmungsvolles Plateau der Andacht. Die Peterskantorei trug der Beschaulichkeit in einfühlsamen Chorälen Rechnung und fand im »Ehre sei Gott«-Chor zu hymnischer Höhe. Einzig in den Jubelchören fehlte es an klanglicher Masse und Beweglichkeit.
Eng verwoben sind Rezitative, Arioso und Arien, was einem ausgezeichneten Solistenquartett die Gelegenheit bot, sich abwechselnd zu überbieten. Mona Spägele glänzte mit schlackenlosem Sopranstrahl, Beat Duddeck bot ausgeprägten Gestaltwillen, Nils Giebelhausen brillierte mit lyrischem Schmelz und Friedrich W. Möller zeigte sich affektvoll und mit vitalem Schwung in der Bass-Arie »Nur im Lichte lebt das Leben«.
Die kurze, beschaulicihe Weihnachtskantate »Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet« machte eingangs mit Gottfried Heinrich Stölzel (1690 - 1749) bekannt. Der Zeitgenosse Bachs war einer der produktivsten Komponisten seiner Zeit, indes gilt mehr als die Hälfte seines Werkebestandes als verschollen. Besondere Anerkennung fand Stoelzels Behandlung der Rezitative. In der Weihnachtskantate lässt er sie alternierend von den Solisten vortragen, eine Praxis, die dem der Besinnlichkeit dienenden Werk Farbe und Abwechslung schenkt.
Der insgesamt erbauliche musikalische Weihnachtsgruß fand lang anhaltenden Applaus.

Artikel vom 13.12.2005