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Sechs serbische Mönche werden
von der Bundeswehr beschützt

Kosovo: Im Erzengel-Kloster leisten Augustdorfer Soldaten Friedensdienst

Aus dem Kosovo berichtet
Dirk Schröder
Prizren (WB). In den Bergen oberhalb der Stadt Prizren liegt das serbisch-orthodoxe Erzengel-Kloster. Hinter dickem Stacheldraht leben dort sechs serbische Mönche - bewacht von 20 deutschen KFOR-Soldaten, die zur Zeit von der Panzerbrigade 21 »Lipperland« aus Augustdorf gestellt werden.

Scharfschützen, postiert auf den umliegenden Hügeln, lassen die Umgebung des Klosters und die nahe verlaufende Straße nicht aus den Augen. Denn es soll sich nicht noch einmal wiederholen, was sich dort im März 2004 zugetragen hat. Gegen mehr als 250 gewaltbereite Kosovo-Albaner, die in Bussen zu dem Kloster gekarrt worden waren, konnten die zehn deutschen Soldaten damals wenig ausrichten, berichtet Hauptmann Christian G. dieser Zeitung bei einem Besuch des Klosters. Den Soldaten blieb damals nicht anderes übrig, als die Mönche in Sicherheit zu bringen. Anschließend ging das Kloster in Flammen auf.
Dies hat der Bundeswehr damals Kritik von vielen Seiten eingebracht, doch Hauptmann Christian G. verteidigt seine Kameraden noch einmal ausdrücklich: »Sie haben richtig gehandelt. Es ist kein Schuss gefallen, es hat keine Verletzten gegeben und die Mönche sind gerettet worden.«
Für die Serben hat das Kloster einen hohen symbolischen Wert. Dort liegt Zar Stefan Dusan begraben. Das Kosovo ist, anders als die serbischen Siedlungsgebiete in Kroatien und Bosnien, historisches Kernland, das Zentrum des ersten serbischen mittelalterlichen Staates unter Zar Dusan dem Mächtigen und seiner Nemanjiden-Dynastie, dessen Nachfolger 1389 auf dem Amselfeld den Türken entgegentraten und unterlagen. Zar Dusan wird noch heute als Nationalheiliger verehrt.
Gegründet wurde das Kloster 1348 und zeitweise lebten dort 250 Mönche. 1500 wurde das Kloster im Zuge der Ausbreitung des Osmanischen Reiches erstmals angegriffen, 1615 erfolgte dann die endgültige Zerstörung. Die osmanische Macht benutzte die Steine des Klosters, um mit deren Hilfe im Zentrum von Prizren die größte und schönste Moschee des Balkans zu bauen.
Das Kloster geriet in Vergessenheit. Nahezu 400 Jahre lang schlummerten die Ruinen vor sich hin. Erst vor sieben Jahren, unmittelbar vor dem Kosovo-Krieg, beschloss die serbisch-orthodoxe Kirche, hier ein Zeichen zu setzen und das Kloster nach Jahrhunderten wieder aufleben lassen. 1998 zog die Handvoll Mönche in die neuen Gebäude ein, die im vergangenen Jahr von dem albanischen Mob demoliert wurden.
Heute ist ein Wohngebäude wieder errichtet, die Mönche müssen nicht mehr in Containern leben. Nach den Unruhen hat die Bundeswehr aus der Klosteranlage eine gut bewachte Festung gemacht. Das Gebiet ist von KFOR zu einer Region von »höchstem Interesse und Sicherheit« eingestuft worden, zu einer sogenannten Blue und Red Box. Die Truppen haben einen äußeren Bewachungsring um das Kloster gezogen sowie einen inneren, an dem sie auch von der Schusswaffe Gebrauch machen dürfen.
Dass die Bundeswehr sie beschützt, beruhigt die Mönche zwar, doch sicher fühlen sie sich nicht im Schatten der neu gebauten Wachtürme. Dazu haben sie auch allen Grund: Denn das Erzengel-Kloster ist ein letzter Stachel im Fleisch von Prizren. Am Namenstag von Zar Dusan fand in diesem Sommer dort ein Klosterfest statt. 2500 Serben waren gekommen - höchste Alarmbereitschaft für die Soldaten.
Ein riesiges buntes mittelalerliches Gemälde, das die Krönung Zar Dusans darstellt, steht noch immer weit sichtbar auf dem Gelände. Für die Serben ist es ein sichtbares Zeichen ihres Patriotismus, für die auf der Straße vorbeifahrenden Moslems ist es eine Provokation.
So wundert es nicht, dass sich die serbischen Mönche nicht in die Stadt Prizren wagen. Als einer der Mönche kürzlich eine akute Blinddarm-Entzündung hatte, wollte er lieber sterben, als sich im Krankenhaus in Prizren operieren zu lassen. Gerettet wurde er dann in einem KFOR-Lazarett.
Zum Einkaufen fahren die Mönche in die Bergdörfer, wie in den Ort Sredska. Das ist eines der wenigen Dörfer in der Gegend, in der noch (ausschließlich) Serben leben. 60 sind es an der Zahl, die von Soldaten der 4. Kompanie des Panzergrenadierbataillons aus Augustdorf geschützt werden. Die Soldaten haben sich in der alten Schule häuslich eingerichtet, sie sind zufrieden mit ihrem Job. Ihre übereinstimmende Erfahrung: Die meisten Bosniaken seien sehr umgänglich. Sie hätten keine Probleme mit Serben, die schon vor dem Krieg dort gewohnt haben, haben aber etwas gegen Neuansiedlungen von Serben.

Artikel vom 16.12.2005