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Telekom-Aufsichtsrat stimmt
Stellenabbau trotz Protesten zu

Tausende Mitarbeiter demonstrieren - Ver.di droht mit Arbeitskampf

Frankfurt/Bonn (dpa). Der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom hat trotz erneuter Proteste tausender Beschäftigter gestern Abend dem geplanten massiven Stellenabbau zugestimmt.

Das teilte der Konzern in Bonn nach einer Sitzung des Kontrollgremiums mit. Dabei hätten die Vertreter der Anteilseigner die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat überstimmt. Der Vorstand werde nun Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern über die Umsetzung des Beschlusses aufnehmen, sagte ein Telekom-Sprecher. Die Gewerkschaft ver.di hat bereits scharfen Widerstand angekündigt.
Insgesamt sollen 32 000 Menschen bei der Telekom bis 2008 ihre Arbeit verlieren, allerdings sollen gleichzeitig 6000 Mitarbeiter neu eingestellt werden. Auf betriebsbedingte Kündigungen will das Unternehmen wie schon in der Vergangenheit verzichten.
Mit bundesweiten Protesten hatten gestern fast 30 000 Telekom-Beschäftigte gegen den geplanten Stellenabbau protestiert. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di beteiligten sich allein in Bonn und Berlin 8500 Menschen an den Demonstrationen und Kundgebungen. Der stellvertretende ver.di-Vorstand Franz Treml hatte bereits eine Ausweitung der Proteste angekündigt, falls der Stellenabbau von dem Kontrollgremium abgesegnet werden sollte. »Ab Januar ist alles möglich bis hin zu Streiks«, sagte der Berliner ver.di-Bezirksgeschäftsführer Roland Tremper.
Ein Konzern dürfe nicht Milliardengewinne einfahren und gleichzeitig Stellen abbauen, kritisierte zuvor ver.di-Chef Frank Bsirske gestern in Berlin. »Das können wir nicht hinnehmen. Bleibt der Vorstand bei der Linie, werden wir Mittel und Wege finden, Verhandlungen zu erzwingen«, drohte Bsirske mit Arbeitskampfmaßnahmen.
Die Telekom-Beschäftigten machten indes mit markanten Sprüchen ihrem Unmut über den Stellenabbau Luft. Auf Transparenten hieß es: »Vom Kopf her, weiß man, stinkt der Fisch« oder: »Personalabbau auf Dauer macht uns richtig sauer«. Auch der Telekom-Chef geriet ins Visier der Protestler: »Ricke, wir haben die Faxen dicke«. Treml forderte den Vorstand auf, ernsthaft mit den Arbeitnehmervertretern zu verhandeln und taktische Spielerein zu beenden. »Die vorgelegten, skandalösen Pläne des Telekom-Vorstands müssen vom Tisch«, sagte der Gewerkschafter, der auch stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats ist.
Anfang November hatte der Vorstand seine Personalplanungen bis Ende 2008 vorgelegt. Mit den angestrebten Kürzungen will sich die Telekom fit machen für den zunehmenden Wettbewerb in der Branche. Dabei betonte Ricke, soviele Mitarbeiter zu halten, wie es betriebswirtschaftlich möglich ist. Betroffen von den Kürzungen sind vor allem die Beschäftigten der Festnetzsparte T-Com, wo die Telekom 20 000 Menschen weniger benötigt. Der Bereich, in dem erhebliche Marktanteile verloren gingen, steht besonders unter Wettbewerbsdruck.
Auch von 6000 Beamten will sich das Unternehmen trennen. Hierzu muss allerdings noch mit dem Bund eine gesetzliche Vorruhestandsregelung gefunden werden. Der Bonner Riese beschäftigt gegenwärtig konzernweit im Inland noch 170 000 Menschen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Unternehmen im Schnitt jedes Jahr von 10 000 Mitarbeitern getrennt. Die staatseigene KfW ist mit 22 Prozent Hauptaktionär der Telekom, der Bund hält direkt noch ein Anteilspaket von 15 Prozent.
ver.di fordert in einem 10-Punkte-Programm statt des Abbaus von Arbeitsplätzen vor allem eine neue Service- und Qualitätsoffensive sowie mehr Innovationen. »Die Telekom ist drauf und dran, ein arbeitsmarktpolitisches Desaster ohnegleichen anzurichten«, erklärte Treml auf einer Kundgebung vor Beginn der Aufsichtsratssitzung.
Vor dem Hintergrund der guten Ertragslage des Unternehmens haben Betriebsräte, Telekom-Mitarbeiter und Gewerkschafter kaum Verständnis für die Einsparungen. »Wir werden uns das nicht bieten lassen«, sagte Treml. Ricke hatte bei der Vorlage der Quartalszahlen im November darauf hingewiesen, dass die Gewinne aus 2005 und der geplante Stellenabbau nichts miteinander zu tun haben. Es seien die Gewinne aus der Vergangenheit. Jetzt »geht es darum, die Telekom zukunftssicher zu machen«.

Artikel vom 13.12.2005