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Milton Friedman

»Der einzige Weg, das Verhalten von Politikern zu ändern, ist, ihnen anderer Leute Geldwegzunehmen.«

Leitartikel
Schröder am Russen-Gashahn

Das Gewissen
und
der Mammon


Von Rolf Dressler
Gerhard Schröder einzigartig: Kaum ist Deutschlands vormaliger Regierungschef - in langen, wohlinszenierten Schwüngen - aus dem Kanzleramt ins vermeintlich ganz gewöhnliche Leben eines Privatiers hinübergewechselt, da kehrt er auch schon frohgemut zurück. Dem Polit-Boss von gestern winken fürstliche Honorare in der Welt der Bosse.
Dabei dürfte sich Schröders Sa- lär für die künftigen Beraterdien-ste beim Schweizer Medienkonzern Ringier eher im Zubrot-Bereich bewegen, verglichen mit dem satten Jah- resentgelt aus Richtung Osten, auf das der prominente Sozialdemokrat demnächst voraussichtlich rechnen kann.
Denn für diese schöne Stange Dollar-Geld soll Schröder nach dem Willen des staatlichen russischen Energiegiganten Gazprom den Gesellschafter-Ausschuss jenes Konsortiums führen, das eine Erdgasleitung von Russland sogar auch untermeerisch durch die Ostsee nach Westeuropa bauen wird.
Noch recht niedlich-unverfänglich lesen sich da Zeitungsschlagzeilen wie »Spitzenjob für Alt-Kanzler im Gasgeschäft« und selbst »Jetzt rollt der Rubel: Rus- sen holen sich Schröder«. Aber »Schröder kontrolliert Ostsee-Erdgas-Pipeline« - das ist wahrlich mehr als nur ein boulevardesker Medienknaller der Marke »Heute getextet, morgen vergessen«. Viele spüren: Sowas gab es so noch nie. Auffällig zaghafte Entrüstung, gespielte Verwunderung querbeet, über Parteifarbgrenzen hinweg. Einzelnen Vorteilsnehmern und Handaufhaltern des Politikbetriebes mag vielleicht sogar das Gewissen schlagen.
Mit hörbarem Bauchgrimmen indes sagen Schröders Weggefährten Peter Struck und Franz Müntefering, sie hätten einen solchen Posten nicht angenommen. CSU-Jungwirtschaftsminister Michael Glos hingegen findet die Sache prima und völlig unanstößig, während sie den Grünen rundherum gar mächtig stinkt.
Und wir, das Gasbezieher-Publikum? Flugs bedeutet man uns, selbstverständlich werde der SPD-Ex-Kanzler in seiner künftigen Aufsichtsratsfunktion - gleichsam mit beiden Händen am Gashahn - die deutschen Interessen genauso nachhaltig vertreten, wie er »es immer getan« habe.
Märchenstunden in den Tagen der Erwartung vor dem großen Fest? Wer eigentlich will uns hier (etwas) verkaufen? Wie hat man sich die weitreichenden Konsequenzen vorzustellen, wenn ein so undurchsichtiges Mammut-Staatsunternehmen wie Gazprom demnächst mindestens ein Drittel aller Erdgaslieferungen nach Deutschland bestreiten wird?
Gefährliche Abhängigkeiten? Politische Erpressbarkeit? Nicht von ungefähr ist immer wieder von mafiaähnlichen Vernetzungen in Russlands Industrie die Rede.
Was aber kann Deutschlands Alt-Kanzler Gerhard Schröder und was will dessen Männerfreund im Präsidentenamt dieser »aufklärten Diktatur« und Neu-Geschäftsfreund Wladimir Putin nicht nur beim Gasgeschäft dagegensetzen?
Antworten sehr erwünscht.

Artikel vom 13.12.2005