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Früher den Gästen die
Krawatte abgeschnitten

Vier Generationen Gehring feiern 50 Jahre »Der Koch«

Von Jens Heinze
Bielefeld (WB). Die Namen haben im Laufe der Jahrzehnte gewechselt, doch der von den Gästen geschätzte gute Service ist stets der gleiche geblieben: Vier Generationen der Bielefelder Gastronomenfamilie Gehring feiern am morgigen Mittwoch das 50-jährige Bestehen des Restaurants »Der Koch«.

Seniorchefin Barbara Gehring (79), die mit ihrem 1996 verstorbenen Ehemann Werner von der ersten Stunde an am Siegfriedplatz für das Wohlergehen der Kundschaft sorgt, ist nach wie vor dabei. »Ich bin der gute Geist im Hintergrund«, lacht die rüstige Seniorin, die überall da mit anpackt, wo gerade eine helfende Hand gebraucht wird.
Am 14. Dezember 1955 im eigenen Haus an der Rolandstraße 15 als »Gehrings Bierstube« gegründet, bekam die Gaststätte im Bielefelder Westen schnell einen berühmt-berüchtigten Spitznamen verpasst: »Krawattendiele«. »Das lag an mir«, bekennt sich Barbara Gehring nach 50 Jahren schuldig, »früher habe ich den Gästen immer den Schlips abgeschnitten.« 152 »Beutestücke«, so ist es im Familienalbum vermerkt, nannte die Chefin schließlich ihr eigen.
Bereits ein Jahr nach der Eröffnung wurde »Gehrings Bierstube« in »Kajüte« umbenannt. Und entsprechend seemännisch ausgestattet: Rettungsringe und ein Gemälde vom Hamburger Hafen an den Wänden, Weltkarte und Fischernetz unter der Decke. Allerdings - obwohl den einen oder den anderen Gast der äußere Eindruck täuschte, war die die »Kajüte« nie ein Fischrestaurant. Dafür machte die Gaststätte im Jahr 1962 in ganz anderer Sache Schlagzeilen. »Die "Kajüte" wurde zu Bielefelds erster und zu der Zeit einziger Abendgaststätte mit Nachtkonzession. Bei uns gab es frisch gezapftes Bier bis 3 Uhr morgens«, erinnert sich Barbara Gehring.
Seit 18 Jahren hat nun an der Rolandstraße 15 die zweite Generation das Wort. Fred (48) und seine Ehefrau Kathrin Gehring (43) samt Team führen das heute unter dem Namen »Der Koch« bekannte Restaurant. 1990 gab es erstmals einen Biergarten auf dem Siegfriedplatz, seit 1999 steht dort die »Supertam« als originelle Biertheke. Für steten Nachschub mit »Flüssignahrung« - die exklusiven Biere sind unter dem Namen »Supertram Spezial« bekannt - sorgt die vom Restaurant unter der Straße zum Straßenbahnwaggon verlegte Versorgungsleitung.
Beim »Koch«, der vor zwei Jahren um ein Bistro erweitert wurde und über die Grenzen der Großstadt hinaus für die hervorragende Küche unter der Leitung von Fred Gehring bekannt ist, sind mittlerweile die 3. und 4. Generation im Einsatz. Jessica Gehring (27) sorgt als angehende Restaurantfachfrau für den guten Service, Sohn Lukas (12) übt sich schon beim Gläserspülen.
Bei Kartoffelspalten, eingelegten Oliven, Pizza, Steak, Grünkohl oder Entenbrust können sich die Gäste von heute an über einen ganz besonderen Service freuen. Die Gehrings haben eine Diaschau mit den besten Fotos und interessantesten Zeitungsartikeln aus 50 Jahren Gastronomiegeschichte zusammengestellt. Da werden auch Erinnerungen an die Bierdeckelsammlung aus aller Herren Länder wach, die früher einmal mehr als 1000 Exponate umfasst hat und leider längst aufgelöst ist.
Die Diaschau wird - außer am Ruhetag - täglich im »Koch« gezeigt. Und dazu passt am besten ein »saurer Paul« - die vor 45 Jahren vom verstorbenen Seniorchef Werner Gehring erfundene Mischung aus Steinhäger und Zitrone, die nach wie vor an der Rolandstraße im Ausschank ist.

Artikel vom 13.12.2005