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Schubert in mitteilender Klangrede

Auftakt von »Winners & Masters«

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Musik ist in der Lage, menschliche Dimensionen zu reflektieren, vorausgesetzt, sie findet Interpreten, die Emotionen transportieren können. Zweifelsfrei gehören der Bariton Tyler Duncan und die Pianistin Erika Switzer zu jenen Musikern, die eine Matinee mit Schubert-Liedern zu einem aufregenden, bewegenden Ereignis werden lassen.

In der neuen, von Konzerte Müller und dem Kulturkreis Gasteig München konzipierten Konzertreihe »Winners & Masters« stellten die beiden Musiker in kongenialer Übereinkunft ihr großes Können ganz in den Dienst des musikalischen Ausdrucks. Die beiden Kanadier studierten an der University of British Columbia in Vancouver und schärften ihr Profil anschließend in diversen Meisterklassen. Beide verbindet nicht nur eine langjährige Zusammenarbeit, sondern auch die Tatsache, dass sie aus zahlreichen internationalen Wettbewerben als Gewinner hervorgingen. Womit sie genau die Kriterien erfüllen, die zu einer Einladung bei »Winners & Masters« führen.
Wer am Sonntagmorgen den Weg in den Kleinen Saal der Oetkerhalle gefunden hatte, wurde mit einem musikalischen Höchstgenuss belohnt. Franz Schuberts Vertonungen von Schiller- und Goethe-Gedichten loten das Spektrum menschlicher Emotionen und Abgründe weit aus. Da traf es sich vorzüglich, dass Duncan und Switzer die Verpflichtung zur Deutung des Textes sehr ernst nehmen und ihre mitteilende Klangrede unendlich viele Schattierungen und Nuancen kennt.
Tyler Duncan ist zudem mit einer Ausnahmestimme gesegnet, die warm grundiert und kraftvoll ist und die sowohl den lyrischen Schmelz als auch die dramatische Schärfe kennt. Wie weit sein Ausdrucksspektrum reicht, wird in etwa deutlich, wenn er »Wanderers Nachtlied« mystisch zart intoniert und gleich darauf mit bühnendramatischem Charisma den Geist des »Erlkönigs« zum Leben erweckt. In dialogisch geführter Klangrede gelang eine erschütternde, atmosphärisch dichte Wiedergabe, die kongenial vom Klavierpart gestützt wurde.
Liedgestaltung begreift Erika Switzer keineswegs als schmückendes Begleitwerk, sondern als eigenständige, kommentierende Stimme, die sie sehr pointiert und akzentbewusst auszuspielen versteht. Musikalisch auf einer Wellenlänge, erzeugt das Duo somit Musik von hohem Suchtfaktor. Das Publikum bedachte die Interpreten mit frenetischem und lang anhaltendem Beifall.

Artikel vom 12.12.2005