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Elvisierung der Welt

Die Jahreshauptversammlung wird zur Rock-Revue

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Die Elvisierung der Welt schreitet unaufhaltsam voran. Behauptet jedenfalls Torsten Schmeling (Thomas Wehling), seines Zeichens Vorsitzender des (fiktiven?) Elvis-Fanclubs Ostwestfalen-Lippe e.V. Nach seinen Berechnungen besteht die Weltbevölkerung im Jahre 2019 zu einem Drittel aus Elvis-Doppelgängern.

Die Elvisierung hat jedenfalls schon heftig um sich gegriffen in der Premiere der musikalischen Revue »Elvis liebt Dich!« im Bielefelder Theater am Alten Markt (TAM). Dort wird das Publikum zum einen durch das 50er-Jahre Bühnenbild, das Axel Schmitt-Falckenberg mit Buntglassteinen und Kunstleder-Polsterwänden in den Saal hinein gezogen hat, zum Teilnehmer der Jahreshauptversammlung des Fanclubs, zum anderen durch Fanclub-Vorstand plus Gäste. Dem Vorsitzenden, dem mit Ehefrau Nicola Schmeling-Voaul (Nicole Paul) und Töchterchen Hendrieke Voaul-Schmeling (Ulrike Müller) zwei Stellvertreterinnen zur Seite stehen, entgleitet die Tagesordnung mehr und mehr. Der Bericht über den Besuch im Elvis-Mekka Graceland oder der Festvortrag von Claudette van der mauen (Claudia Mau) oder der Kassenbericht von Uli Schwab (Oliver Baierl) geraten zu Nebensächlichkeiten, wenn Raoul Rayser (Paul Kaiser), Vorsitzender des höchstgelegenen Elvis-Fanclubs aus Zermatt (36 Mitglieder) losrockt oder Freddy Jansen (Folke Paulsen) aus Marzahn davon erzählt, dass er schon Elvis-Fan war, als »die da oben bei uns in der DDR noch gar nicht daran gedacht haben, das zu verbieten«.
Im Grunde ist »Elvis liebt Dich!« aber handlungsfrei (na gut, Hendrieke ist in Wirklichkeit Elvis' Tochter und Freddy macht sich an Nicola ran, während Uli. . . - aber lassen wir das), dafür steckt aber jede Menge Musik drin - samt Liveband mit Andreas Scheinhütte, Tom Baer und Stephan Schott.
Die Schauspieler haben nicht nur den typischen Hüftschwung, sondern auch den Original-Elvis-Sound drauf - und wurden nicht ohne etwa drei Zugaben oder so von der Bühne gelassen: »Love Me Tender«. Alle machen ihre Sache gut, geben den Figuren Charakter. Nicole Paul verkörpert den Typ Frau, den sie darstellt, mit kleinen Gesten, die sie unverwechselbar macht, Oliver Baierl gibt den Underdog, der nach Mama schmachtet, Thomas Wehling wurden zwar Hörner aufgesetzt, aber wenn das Kind doch von Elvis ist. . .
Für alle, die Spaß haben, an einer gut gemachten Bühnenshow mit Liedern zum Mitsingen, ist »Elvis liebt Dich!« genau richtig - wer auf der Suche nach einem Werk mit Tiefgang ist, der sollte lieber weg bleiben.

Artikel vom 12.12.2005