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Klinsmann ist ein »Glückskind«

In Fußball-Deutschland wächst der WM-Optimismus erheblich

Leipzig (dpa). Als »Glückskind« Jürgen Klinsmann gestern wieder ins Flugzeug Richtung Los Angeles stieg, hatte seine Weltmeister-Mission mächtig Fahrt aufgenommen. Durch die vermeintlich leichtesten Vorrunden-Aufgaben Costa Rica, Polen und Ecuador ist der Optimismus in Fußball-Deutschland erheblich gewachsen.
»Wir haben ein positives Gefühl, schon sehr gut vorbereitet zu sein. Wir wollen mit breiter Brust im Sommer 2006 ins Turnier starten«, erklärte Klinsmann, bevor er zurück nach Kalifornien schwebte.
Die Detail-Pläne für die kommenden Wochen hatte Klinsmann mit im Gepäck. Nach den Glücks-Losen von Leipzig sprachen der Bundestrainer und sein Stab in Frankfurt/Main die »Spionage-Maßnahmen« für die eher unbekannten Kontrahenten Ecuador und Costa Rica ab, die sich für den 25. Januar 2006 zu einem Freundschaftsspiel verabredet hatten. »Das wird wohl nicht zu Stande kommen. Aber wir werden alle Informationen zusammen holen«, berichtete Klinsmann. Vor allem sein Schweizer Chefscout Urs Siegentaler wird viel unterwegs sein.
Lächelnd wies der Wahlamerikaner auf seinen neuen Standort-Vorteil hin: »Ich habe es da einfacher als meine Kollegen, ich kann mal schnell nach Costa Rica fliegen.« Über Nachteile seines Wohnort spricht erstmal niemand mehr. Dass sich seine Spieler von den Aussagen einiger Experten blenden lassen, die schon deutsche Kantersiege voraussagten, glaubt Klinsmann nicht: »Wir werden keine dieser Mannschaft in irgend einer Form unterschätzen.«
Unmittelbar nach der spektakulären Auslosung vor 4000 Gästen in der Leipziger Messehalle 1 verkündete Klinsmann auch die ersten neuen Entscheidungen für 2006. Die WM-Generalprobe am 2. Juni in Mönchengladbach soll möglichst gegen einen Gegner aus Südamerika steigen. Uruguay, Kolumbien oder Chile wurden als Kandidaten genannt. »Von heute an wird das geprüft. Vielleicht muss man noch ein zweites Spiel gegen ein anderes Land anbieten, damit sich die weite Reise für das südamerikanische Team auch lohnt«, sagte Klinsmann.
Für das erste Länderspiel 2006 wird der Bundestrainer die Trennung der beiden Torhüter-Konkurrenten Oliver Kahn und Jens Lehmann aufheben. »Ich denke schon, beide werden zum Kader gehören«, sagte Klinsmann auf die Frage, ob Kahn und Lehmann am 1. März in Italien dabei seien. Die Entscheidung über die Nummer eins aber bleibe bis kurz vor dem Turnier offen, unterstrich der 41-Jährige.
Mit den möglichen Gegnern England, Schweden oder Paraguay im Achtelfinale will sich Klinsmann öffentlich noch nicht beschäftigen. »Da werden wir keinen Platz lassen für irgend welche Spekulationen oder Gedanken im Hinterkopf«, sagte Klinsmann energisch. Allerdings nahm er die Favoritenrolle in der Gruppe A klar an: »Wir sind schon froh, dass wir es so erwischt haben. Es gibt schon so genannte Todesgruppen.«
Klinsmann hat Costa Rica persönlich vor seiner Haustür schon drei Mal gesehen. Auch Ecuador hat er live beobachtet. Das Videomaterial soll nun in eine zentrale Datenbank fließen. »Wir werden sie bis ins Detail studieren«, erklärte Klinsmann, der sich schon auf dem gemeinsamen Flug von Leipzig nach Frankfurt bei Brasiliens Coach Carlos Alberto Parreira über die Stärken Ecuadors informierte. Das drittbeste Team Südamerikas hatte zuhause in der WM-Qualifikation den Rekord-Weltmeister 1:0 geschlagen.
Als Gruppensieger könnte Deutschland im Turnierverlauf weiter in den größten WM-Stadien München, Berlin und Dortmund spielen. Von den großen Gegnern gehen die »Klinsmänner« Brasilien, Frankreich, Italien, Tschechien und Spanien erstmal aus den Weg, während Argentinien, die Niederlande, Portugal oder Mexiko im Viertelfinale warten könnten. Die größte Erleichterung empfand der Bundestrainer jedoch darüber, dass die unbequemen Ukrainer erst als Endspiel-Gegner in Frage kommen: »Das kann die Überraschungsmannschaft werden.«

Artikel vom 12.12.2005