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Der Blick aus seinem Bürofenster im zweiten Stock fällt auf einen pulsierenden Speditionshof. Gegen 17 Uhr läuft das Räderwerk eines modernen Logistikdienstleisters auf Hochtouren, werden im Scheinwerferlicht Wechselbrücken aufgesattelt und per Stapler eine Flut von Paletten unterschiedlichster Ware bewegt, wird telefoniert, organisiert und delegiert.
Die Spedition ist sein Leben. Das spürt man schnell, wenn man Dieter Kunzes spannenden Schilderungen lauscht, wie aus dem kleinen elterlichen Kohlen- und Fuhrgeschäft in Heidenau bei Dresden eine der wenigen heute noch verbliebenen mittelständischen Speditionen in Familienbesitz geworden ist, die sich in den »modernen Zeiten« gegenwärtig mit einer Vielzahl individueller Erfolgsrezepte gegen die mächtige Konzernkonkurrenz bestens behauptet.
Kunze betreibt neben Bielefeld Standorte in Ettlingen und Karlsruhe, Heidenau und Dresden und ist als moderner Logistikunternehmer mit Warehousing, Kommissionierung, Valued Added Services und Outsourcing erfolgreich. Moderne Begriffe für Aufgaben, die Auftraggeber unterschiedlichster Branchen Kunze vertrauensvoll übertragen. Obendrein ist Kunze Partner bei See- und Luftfracht und wickelt Zollformalitäten ab in die Länder außerhalb der Europäischen Union und nach Übersee.
Die Biografie von Dieter Kunze lieferte Stoff für einen spannenden Spielfilm. Gut 50 Jahre nach dem Wirtschaftswunder steht der gelernte Speditionskaufmann und Vollblutunternehmer mit jedem seiner Lebensabschnitte für eine typische deutsche Unternehmens- und Familiengeschichte im Nachkriegsdeutschland und in der wiedervereinigten Bundesrepublik. Der Kunze-Hauptsitz ist seit 1954 in Bielefeld, wo Vater Walter und der jüngere Bruder Armin zehn Jahre nach Kriegsende den Neuanfang gewagt hatten. Die Familie floh vor den Kommunisten aus Dresden, verlor die 1927 gegründete Firma und die Existenz.
Dieter Kunze lernte den Beruf des Speditionskaufmanns in Halle/Saale. Schwere Lkw fahren konnte er da schon lange. Bereits vor seinem 16. Lebensjahr hatte der junge Mann mit Ausnahmegenehmigung der örtlichen Polizeibehörde die Fahrerlaubnis erhalten, um im elterlichen Betrieb aushelfen zu können. Das Bewegen moderner Lastwagen ist nicht sein Ding. Da ist er ehrlich. Gefahren ist er seit vielen Jahren nicht mehr, fachsimpelt aber gern mit Fahrern oder erzählt, wie man mit einem alten Krupp Mustang über die Kasseler Berge kam.
Dieter Kunze hat die Spedition groß und erfolgreich gemacht. Zusammen mit seinem Bruder. Der baute, um entsprechende Frachtauslastung auf den Südrouten bemüht, in Karlsruhe eine Niederlassung auf. Heute arbeiten hier mehr als 200 Mitarbeiter. Glücklich ist Dieter Kunze, dass die Familie nach der Wende das einstige Familiengrundstück in Heidenau/Dresden zurück bekam. Auf der »Keimzelle« der Spedition steht heute die Werkstatt, während der Speditionsbetrieb in Dresden gleich neben dem VW-Logistikzentrum neu entstand. Einmal monatlich fährt Kunze auch heute noch nach Dresden.
Der sportlich ambitionierte Tennisspieler und Skifahrer ist eine Art Libero und Anchor Man für das Familienunternehmen, das seit 2005 Sohn Matthias als geschäftsführender Gesellschafter fortführt. Kunze sen. indes ist in der Branche bekannt. Zahlreiche Ehrenämter als Arbeitgeber oder im Verkehrsausschuss der IHK haben dazu ebenso beigetragen wie sein unermüdliches Eintreten für den Kombinierten Ladungsverkehr.
In Dresden hat der Speditionsbetrieb Kunze den Eisenbahnanschluss ebenso in Reichweite wie in Karlsruhe. Was den Vollblutspediteur indes besonders ärgert: Aus seinem Büro in Bielefeld blickt Kunze auf eine »tote« Containerbrücke. Die Deutsche Bahn hat ausgerechnet den Mann vom Gleis abgehängt, der 1995 Deutschlands stärkster Spediteur im Kombiverkehr war - mit täglich 100 vollgeladenen Pritschen. Kunze: »Ich kämpfe, bis Bielefeld wieder am Netz ist!«

Artikel vom 10.12.2005