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Die Varus-Schlacht
jedes Jahr nachspielen

Wirtschaftswissenschaftler: »Kitsch bringt viel Geld«

Von Dietmar Kemper
Detmold (WB). Hermann als Eis am Stiel, als Held auf dem T-Shirt und als Kaubonbon. »Mit Kitsch wird das meiste Geld verdient«, betont Mathias Feige. Er berät die Lippe Tourismus & Marketing AG bei der Vorbereitung der 2000-Jahr-Feier der Varus-Schlacht 2009.
Goldmünzen lassen sich touristisch versilbern.

Feige arbeitet bei der dwif-Consulting GmbH in Berlin, einer Tochter des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr, das seit 1950 die touristischen Möglichkeiten von Regionen untersucht. »Die Varus-Schlacht bietet ein enormes Potenzial«, sagte der Experte am Freitag dieser Zeitung: »Dieses Ereignis kann man national und international vermarkten.« Auch über 2009 hinaus. Feige mahnt deshalb ein nachhaltig angelegtes Konzept an: »Es wäre falsch, nur bis 2009 zu denken, sonst besteht die Gefahr, dass die Effekte schnell wieder verpuffen.«
Zum Beispiel könnten spezielle Wanderwege (»Cherusker-Walk«) angelegt oder die Schlacht jedes Jahr neu nachgespielt werden, so wie in Gettysburg, Austerlitz, Leipzig oder 2006 in Jena und Auerstedt. Schlachten entpuppten sich als Publikumsmagnet: Nicht ohne Grund sei der Etat für die Feierlichkeiten rund um die Schlacht bei Austerlitz wegen der 200. Wiederkehr diesmal von 100 000 auf 500 000 Euro aufgestockt worden. Am 2. Dezember 1805 schlug Napoleon die österreichischen und russischen Armeen in Böhmen - ein Ereignis, das in Frankreich jedes Jahr begangen wird. Nachgestellte Kämpfe aus der Antike stoßen bei einer »Klientel in Italien« auf großes Interesse, weiß Feige. Diese »Schlachtenbummler« würden nach Lippe reisen.
Natürlich dürfe die Erinnerung an die Varus-Schlacht nicht zu Klamauk verkommen. Die wissenschaftliche Aufarbeitung in Form von Ausstellungen, Büchern und hochwertigen Kalendern gehöre zwingend dazu. Gleichwohl rät Feige der Lippe Tourismus & Marketing AG und dem Landesverband Lippe: »Keine Angst vor Kitsch. Mit simplen Schlüsselanhängern können Sie Geld verdienen.« Den vermeintlichen Mangel, dass der Schlachtort nicht exakt eingegrenzt werden kann, hält der Wirtschaftswissenschaftler für den eigentlichen Trumpf: »Es ist doch spannend, zu einer Schlacht einzuladen, von der niemand genau weiß, wo sie geschlagen wurde. Touristen können gleich an drei Standorte gelockt werden.« Feige empfiehlt dringend, »Animositäten und standortlichen Egoismus zu überwinden«. Damit die 2000-Jahr-Feier ein voller Erfolg wird, müssten der Kreis Lippe, der Archäologische Park in Kalkriese und das Römermuseum in Haltern zusammenarbeiten: »Das ist das Dreieck, in dem die Musik spielt.«

Artikel vom 10.12.2005