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Ein Heim für die Straßenkinder

Das SOS-Kinderdorf in Recife ist Anlaufstation der Gestrandeten

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Sie schlafen zu Hunderten auf den Bürgersteigen, darunter immer wieder Mütter mit mehreren kleinen Kindern.

Die Villen der Reichen direkt daneben werden von Paramiltärs bewacht: Recife in Brasilien, das ist das Massenelend der Dritten Welt in geballte Form. Die Menschen besitzen oft nur, was sie auf dem Leibe tragen. Ein zerrissenes T-Shirt, Shorts und lose Schlappen, viel mehr haben sie nicht. In der feuchtwarmen Dauerschwüle mag das reichen, aber der Magen füllt sich auch in den Tropen nicht von selbst.
Inmitten diesen Elends soll 2006 eines der sechs neuen SOS-Kinderdörfer entstehen. Am Rande der Millionenstadt im Nordosten des Landes wird schon fleißig gebaut. Das gesamte Dorf besteht aus 14 zweigeschossigen Familienhäusern, in denen jeweils eine SOS-Kinderdorfmutter mit knapp einem Dutzend Schützlingen leben wird. Zu der beeindruckenden Anlage gehören sieben weitere Gebäude mit Gemeinschaftseinrichtungen, die auch zur Versorgung des umliegenden Viertels dienen. Klar, dass ein Sportfeld und ein richtiger Fußballplatz geplant sind. Den finanziert die FIFA, die Fußball-Weltorganisation, im Land des Kickerstars Pele.
Das SOS-Kinderdorf Recife soll vorrangig allein stehende, unversorgte Kinder aufnehmen und ihnen eine bessere Zukunft bieten. Die Zahl der Straßenkinder in Recife selbst ist ungezählt. Das neue Dorf wird ihr Leid ein klein wenig lindern helfen. Vor allem setzt es ein Signal der Hoffnung.
Wegen der immer wieder auftretenden Dürreperioden und dem kargen Landleben kommen viele Familien nach Recife. Bessere Chancen finden sie in der Küstenstadt in der Regel aber nicht. Die Elendsviertel, die so genannten »Favelas«, werden für die Landflüchtigen zu einem neuen Zuhause - und zur neuen Armutsfalle.
Zuckerhut, Copacabana und Karneval können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Brasilien ein Land mit immensen wirtschaftlichen und sozialen Problemen ist.
Im fünftgrößten Land der Erde sind die gesellschaftlichen Gegensätze enorm, der Großteil der 170 Millionen Einwohner lebt mittellos. Wie immer sind vor allem die Kinder von diesen schwierigen Lebensbedingungen am meisten betroffen. Geschätzte acht Millionen Minderjährige leben auf der Straße und fast drei Millionen müssen bereits im Kindesalter schwer arbeiten.

Artikel vom 10.12.2005