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Torwart-Oma mit »frecher Schnute«

Arminia-Fan Erna Brandhorst feiert 95. Geburtstag und soll ältestes Vereinsmitglied werden

Von Peter Monke
und Markus Poch (Foto)
Brackwede (WB). »Wenn ich bei Arminia was zu sagen hätte, dann würde ich der Mannschaft manches Mal ganz schön Bescheid stoßen«, sagt Erna Brandhorst bestimmt. Mit der aktuellen Platzierung ihres Lieblingsvereins ist die rüstige Rentnerin, die in jungen Jahren selbst leidenschaftlich Fußball spielte, überhaupt nicht zufrieden, »die könnte besser sein«. Am heutigen Samstag wird Erna Brandhorst 95 Jahre alt und ist damit der vielleicht älteste Arminia-Fan.

Die Begeisterung für den Fußballsport packte die Seniorin bereits im zarten Kindesalter. Ihre Brüder Ernst und Martin schleppten Klein-Erna stets mit auf die Bolzplätze ihrer Heimatstadt Wanne-Eickel. »Wo Fußball gespielt wurde, da waren wir nicht weit«, erinnert sich Brandhorst mit strahlenden Augen. Sehr schnell eilte ihr der Ruf einer guten Torhüterin voraus, dabei wäre sie selbst viel lieber im Sturm auf Torejagd gegangen.
Die Eltern waren von der Fußball-Leidenschaft ihrer Tochter wenig begeistert. Vor allem die Mutter hätte es lieber gesehen, wenn Klein-Erna mehr im familieneigenen Lebensmittelladen ausgeholfen hätte, statt in Hosen über den Rasen zu toben. »So manches Mal musste ich heimlich ausreißen«, erzählt Brandhorst.
Wenn nicht ein eigenes Spiel mit dem Wanne-Eickeler Fußballclub auf dem Programm stand, besuchte sie gerne die Partien von Alemannia Aachen. »Die hatten damals eine tolle Mannschaft.« Gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann Wilhelm und dessen Schulfreund Ernst Schütte, dem späteren Kultusminister von Hessen, war sie Dauergast am Tivoli. Schütte monierte jedoch recht bald, dass er in Anwesenheit von Erna kaum etwas vom Spiel mitbekäme, da er ständig auf ihre Beine schauen müsste. »Die waren damals so richtig schön und muskulös.«
Aus heutiger Sicht gibt Brandhorst zu, ein »verrückter Floh und »mehr Junge als Mädchen« gewesen zu sein. Die Kameraden tauften sie gar »Fußball-Fritze«.
Nach Bielefeld verschlug es das Ehepaar Brandhorst erst nach dem Krieg. Wilhelm arbeitet 33 Jahre lang als Elektroschweißer und Pförtner bei der Firma Kammerich in Brackwede. Gemeinsam besuchten sie bis in die Achtziger Jahre die Spiele von Arminia Bielefeld. »Da haben wir auf der Tribüne immer geschrien ÝLos, noch ein TorÜ und das hat oft geholfen.« Zusammen seien sie auch als »Familie Schreier« bekannt gewesen.
Der letzte Stadionbesuch liegt zwar einige Zeit zurück, bis heute hat Erna Brandhorsts Interesse am Fußball aber nicht nachgelassen. Da sie nicht mehr so gut sieht, lesen ihr die Bonitas-Pflegekräfte die aktuellen Ergebnisse vor. Zum Geburtstag wünscht sich die Rentnerin einen Sieg ihrer Blauen über den MSV Duisburg. Und die nächste Überraschung wartet schon. Am Montag hat sich der Arminia-Vorstand angesagt, um sie als neues ältestes Vereinsmitglied anzuwerben.

Artikel vom 10.12.2005