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Irak

Ein Jahr der Gegensätze

Die Situation im Irak war 2005 von gegenläufigen Entwicklungen geprägt. Auf der einen Seite konnte man die stetige Entwicklung demokratischer Institutionen beobachten, auf der anderen Seite wurde das Land immer stärker durch den fast alltäglichen Terror erschüttert. Damit schwand auch in den USA die Unterstützung der Menschen für die Irak-Politik von Präsident George W. Bush.


Attentate und Serien von Selbstmordanschlägen hielten die Mehrheit der Iraker nicht davon ab, die demokratische Entwicklung zu unterstützen. Bei der ersten freien Wahl bestimmten die Iraker am 30. Januar ein Übergangsparlament. Dieses Parlament wählte am 6. April den Kurdenführer Dschalal Talabani zum Staatspräsidenten. Trotz aller Todesdrohungen gegen Wähler und Anschlägen am Tage der Volksabstimmung gab sich der Irak am 15. Oktober, zweieinhalb Jahre nach dem Sturz des Saddam-Regimes, eine neue demokratische Verfassung.
Der Verfassungsentwurf erhielt die erforderliche Mehrheit. Am 19. Oktober begann der Prozess gegen den irakischen Ex-Diktator Saddam Hussein und sieben Mitangeklagte. Der 68-Jährige machte von Anfang an klar, dass er das Gericht nicht anerkennt. Bei der Parlamentswahl am 15. Dezember entschieden die Iraker über die Zusammensetzung einer ständigen Regierung. Dieses Parlament verfügt erstmals über ein Mandat von vier Jahren.
Regierung, Parlament und Justiz konnten jedoch nur unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen arbeiten. Regierungsmitglieder wurden erschossen. Verteidiger im Saddam-Prozess wurden ermordet, andere flohen aus Todesangst ins Ausland. Der Terror von El-Kaida-Gruppierungen um Mussab el Sarkawi und sunnitischen Extremisten beherrschte die Schlagzeilen. So wurden am 28. Februar beim schwersten Bombenanschlag im Irak seit dem Einmarsch der USA im März 2003 bei der Explosion einer Autobombe in der Stadt Hilla 132 Menschen getötet.
US-Präsident George W. Bush musste eingestehen, dass im Irak nicht alles so läuft, wie er sich das wünscht. Mitglieder von Rebellen-Milizen haben die Polizei unterwandert, hohe Beamte wurden wegen Verstrickungs in den Terror verhaftet, Korruption ist auch auf Regierungsebene an der Tagesordnung.
Erstmals wurden im US-Senat Forderungen nach einem baldigen Rückzug der US-Truppen aus dem Irak laut. In der Zustimmung zu seiner Irak-Politik sackte Bush bei Umfragen im November auf Werte zwischen 35 und 40 Prozent ab. Trotz allem hält Bush daran fest, dass die USA erst nach einem Sieg über den Terror das Land verlassen werden.
Das Thema Irak rückte mit der Entführung der Archäologin Susanne Osthoff (43) am 25. November auch in Deutschland wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Am 18. Dezember wurde sie freigelassen. Über die Umstände ihrer Freilassung bewahrte die Regierung Stillschweigen. Nach Ende des Geiseldramas geriet Osthoffs irakischer Fahrer immer stärker in Verdacht, Komplize der Entführer zu sein. Chalid al Schimani war ebenfalls verschleppt worden und meldete sich bisher nicht bei der deutschen Botschaft in Bagdad.WB/pe

Artikel vom 31.12.2005