12.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die deutsche Sport-Revolution

Abstimmungen in Köln: DSB und NOK stehen vor dem Zusammenschluss

Köln (dpa). Der organisierte deutsche Sport hat sich mit einer historischen Entscheidung zum ersten Mal in seiner über 100-jährigen Geschichte unter einem Dach vereint.

Es war am Samstag um 15.02 Uhr, als Manfred von Richthofen und Klaus Steinbach, die Präsidenten des Deutschen Sportbundes (DSB) und des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), in einem Kölner Hotel ihren Pakt durch Handschlag besiegelten. Er machte den Weg frei für die Gründung eines Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am 20. Mai in Frankfurt/Main. Der DOSB wird 27 Millionen Mitglieder vertreten, hat eine Zuständigkeit für Breiten- und Leistungssport und ist der Repräsentant des olympischen Sports.
Nach spannenden Sitzungen sprach von Richthofen von einem »revolutionären Vorgang. Dieser Tag wird ein dickes Kapitel in der deutschen Sportgeschichte einnehmen«. IOC-Mitglied Thomas Bach sah in der Fusion eine »Zeichensetzung, die über den Sport hinaus geht. Die Entscheidung zeigt, dass man in diesem Land reformieren kann. Nicht jede Erneuerung muss im Sumpf der Interessen versinken«. Die Politik übermittelte ihren Beifall durch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Er freue sich, dass die Bundesregierung nun einen »einheitlichen Ansprechpartner hat«.
Dramatik kam nur bei der NOK-Mitgliederversammlung auf. Als Schlussredner Bach seinen Beitrag, den insgesamt 13., mit der Aufforderung abschloss, »fügen sie zusammen, was zusammen gehört«, schien das Abstimmungsergebnis offen. Schließlich votierten 109 der anwesenden 142 Mitglieder in einer geheimen Abstimmung für die Verschmelzung mit dem DSB, bei vier ungültigen Stimmen machte das einen Prozentsatz von 78,98 aus. Damit war die Hürde der Dreiviertel- Mehrheit übersprungen. Das wirkte als Signal für den anschließenden Bundestag des DSB. Der besiegelte die Fusion ohne Diskussion mit 535:40 Stimmen (93,03 Prozent).
Als Sieger des Tages durfte sich von Richthofen sehen, als Verlierer stand Walther Tröger fest. Der ehemalige NOK-Präsident hatte den DSB-Anführer 1996 bei dessen erstem Fusions-Vorstoß kalt abfahren lassen. In Köln sprach der 76 Jahre alte NOK-Ehrenpräsident von unzulässigem Druck auf Oppositionelle, gar vom »Versuch eines zweiten Handstreichs, ich habe Angst, ich weiß nicht warum, vielleicht vor dem Tag danach«. Der Satzungsdiskussion wird nun die Auseinandersetzung um Posten folgen, deren Zahl durch die Verschmelzung deutlich reduziert wird. Fußball-Präsident Theo Zwanziger, ohne dessen Unterstützung die Fusion wohl nicht gelungen wäre, gab auch hier den Ton an: »Alles, was Sie beschließen, können sie in den Papierkorb schmeißen, wenn sie nicht die richtigen Leute finden.« Am 21. Dezember soll eine von Zwanziger oder von dem scheidenden DSB- Vizepräsidenten Ulrich Feldhoff geführte fünfköpfige Findungskommission eingesetzt werden.
DSB-Präsident von Richthofen wird sich im Mai in den Ruhestand zurückziehen. Wegen der eingeführten Altersbegrenzung von 70 Jahren wäre er auch nicht wählbar. Steinbach hat Ambitionen auf das neue Präsidenten-Amt. Doch solange sich Bach nicht erklärt, wird der NOK-Präsident sich wohl zurückhalten. Der Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischofsheim gilt als Favorit auf die DOSB-Präsidentschaft für den Fall seiner Bereitschaft. Seite 2: Kommentar

Artikel vom 12.12.2005