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Abschied mit Tränen:
Rangnick ist entnervt

Schalkes Trainer will den Vertrag nicht verlängern

Gelsenkirchen (dpa). Ralf Rangnick hat entnervt und frustriert seinen Rückzug als Trainer des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 zum 30. Juni 2006 angekündigt. »Ich werde meinen Vertrag nicht verlängern. Ich hatte keine andere Wahl, die Entscheidung so zu treffen. Und ich habe sie schweren Herzens getroffen«, sagte der 47-Jährige unter Tränen in Gelsenkirchen.

Damit zog Rangnick nach dem Scheitern in der Champions League durch die knappe 2:3-Niederlage beim AC Mailand die Konsequenzen aus internen Unstimmigkeiten, mangelnder Rückendeckung durch den Vorstand und einer von der Boulevardpresse vor Monaten angezettelten Kampagne. »Ich bin die politischen Possenspiele leid«, sagte Rangnick.
»Einer der Hauptgründe ist, dass es in den letzten Monaten - eigentlich von Anfang an - nicht gelungen ist, Dinge intern zu halten, die nicht oder nicht so in die Öffentlichkeit gehören«, erläuterte der Schwabe, der am 28. September 2004 mit großen Hoffnungen die Nachfolge des entlassenen Jupp Heynckes angetreten hatte. Rangnick gelang es mit viel Akribie, den kriselnden Revierclub mit einer Siegesserie bis ins DFB-Pokalfinale, zur deutschen Vizemeisterschaft und somit in die Champions League zu führen.
Rangnick bekräftigte, seinen im Sommer auslaufenden Kontrakt erfüllen zu wollen. »Schalke ist der geilste Club, bei dem ich je gearbeitet habe. Ich gehe davon aus, dass ich noch bis zum Saisonende hier arbeite.« Auch Sportmanager Andreas Müller meint, dass man die Zusammenarbeit bis Ende der Saison »professionell hinkriegt«. Gleichwohl ist dies mehr als zweifelhaft. So könnte es gut sein, dass Rangnick schon in einer Woche bei seinem früheren Club VfB Stuttgart am letzten Hinrunden-Spieltag zum letzten Mal auf der »Knappen«-Bank sitzt.
Dass der erfolgreichste Trainer der jüngeren Schalker Geschichte zermürbt das Handtuch wirft, stellt auch dem Vorstand kein gutes Zeugnis aus. Immer wieder ließen Aussagen, insbesondere von Manager Rudi Assauer, großen Zweifel aufkommen, dass der Coach vollstes Vertrauen genießt. Rangnick verweist auf seine Erfolgsbilanz »Die Mannschaft hat starke Leistungen gezeigt. Ich habe genau so viel Punkte geholt wie Thomas Doll in Hamburg und zehn Punkte mehr als Falko Götz bei Hertha BSC.«
Einigen im Verein reicht das aber nicht. Nebulöse Andeutungen und an die Öffentlichkeit gelangte Interna zermürbten den Coach, der letztlich am anspruchsvollen Umfeld scheiterte. Hauptvorwurf der Kritiker: Rangnick schöpfe das Potenzial der mit vielen Millionen Euro verstärkten Mannschaft nicht aus. »Die letzten vier Wochen waren das i-Tüpfelchen«, sagte der vom Boulevard als »Professor« und »Rangnix« verspottete Coach, der bei den Spielern beliebt ist.
»Ich muss ihm Recht geben. Es gibt Dinge, die an uns vorbei gegangen sind. Wir müssen sehen, wo das Loch ist, wo wir es abdichten können«, sagte Assauer mit betretener Miene. Angeblich muss er »die Situation erstmals verdauen«, weil »damit niemand gerechnet« habe. »Über einen Sinneswandel mit ihm zu reden, half nicht. Ralf war nicht bereit dazu«, stellte Assauer fest.
Müller, der seinerzeit die Verpflichtung des eloquenten Trainers maßgeblich voran getrieben hatte, zeigte sich betroffen, aber: »Er hat die Argumente mit solcher Nachhaltigkeit und Ernsthaftigkeit vorgetragen, dass es keinen Sinn gemacht hätte, ihn umzustimmen.«

Artikel vom 10.12.2005