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Das Zebra will
ein Geißbock sein

Lottners Endspiele mit Duisburg

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Duisburg (WB). Im Zeitalter der Legionäre, deutscher und ausländischer, ist Dirk Lottner die Ausnahme. Heute spielt ein Fußball-Profi hier, morgen dort. Und danach woanders. Der 33 Jahre alte Spielgestalter des MSV Duisburg hat zwar auch schon ein paar Vereine hinter sich, aber sein Herz doch nur an einen verloren: Den 1. FC Köln.

»Ich bin Kölner«, sagt der Duisburger und an diesen Satz kann man ganz beruhigt die Messlatte legen: Lottner kommt aus dem Stadtteil Zollstock. Fortuna Köln und Bayer 04 Leverkusen zählen zu seinen frühen Stationen, aber heraus stach er erst beim FC. Bis es hier dann sein Ende nahm.
Dazu muss man wissen, dass an Lottner nie ein Laufwunder verloren gegangen ist, dessen Lungen ihn in jeden Winkel des Rasenvierecks führten. Deshalb servierten sie ihn auch ab in seinem Lieblingsklub, als das Gefühl im Fuß nicht mehr ausreichte, um die Defizite in der Kilometerleistung zu kompensieren. Lottner - eher ein Ästhet als ein Athlet.
Auch beim MSV Duisburg, das den Abgeschobenen bei sich unterbrachte, saß Lottner häufiger auf der Bank als es ihm gefiel. Jetzt hat er das Heft noch einmal in die Hand genommen. Jedenfalls versucht er es, obwohl die Mannschaft des Aufsteigers ihm manchmal nur bescheidene Hilfe geben kann. Beim mageren 1:1 gegen den Ex-Verein bemühte sich Lottner besonders motiviert um die erkennbare Linie im Spiel. Das reichte aus, um gegen die Kölner bester MSV-Mann zu sein. Zum Gewinnen reichte es nicht.
Damit verschärfte sich die Situation der Meidericher nur noch, auch wenn Lottner die Brisanz des nächsten West-Derbys herunter spielt: »Für uns hat sich nichts geändert. Wir müssen auch gegen Arminia gewinnen. Es ist das nächste Endspiel.« Der Mittelfeldspieler sagt ein zähes Ringen voraus, bei dem der Gegner nur auf diesen einen Konter spekuliert, der den MSV zermürbt. »Bielefeld wird defensiv stehen. Wir müssen aufpassen«, warnt er Duisburg vor dem DSC.
Dass die Nerven bei den Hausherren reißen können, war beim Aufeinderprall der Aufsteiger zu sehen. Lottner war einer der wenigen, die den »Fall Meier« nicht spontan kommentierten. »Besser erst abkühlen«, riet er und verschwand in der Kabine. Später hatte Lottner sowohl die emotionalen Ereignisse als auch das ernüchternde Ergebnis verdaut und sich wieder einmal bewusst gemacht, dass Fußball auch in diesen späten Jahren für ihn noch ein Abenteuer ist: »Ich spiele schon so lange, aber in jeder Partie gibt es etwas Neues. Da passieren immer wieder Dinge, die du noch nie zuvor erlebt hast.«
Was Lottner vor dem geplanten Karriereende noch bevorsteht, muss dabei nicht unbedingt einem glücklichen Ende gleichkommen. Auch rheinische Frohnaturen sind nicht so blauäugig, dass sie im MSV Duisburg nicht einen ernsthaften Abstiegskandidaten sehen. »Noch stimmt unsere Leistung«, sagt Lottner vor dem Spiel gegen Arminia, »aber wenn wir das nicht bald in Punkte umsetzen, wird es nichts.« So oder so - für ihn soll im Mai Schluss sein. Es sei denn, es kommt ein Klub mit einer ordentlichen Offerte um die Ecke. »Dann muss ich mir das noch einmal überlegen.«
Andernfalls kehrt der Mittelfeldspieler zu »seinem« Klub zurück, der ihn zwar 2004 als Profi nicht mehr wollte, 2006 als Person aber gern wieder bei sich aufnähme. Lottner: »Die Rückkehr ist vereinbart.« Die Funktion muss noch gefunden werden.
Der Ur-Kölner meint, dass er sich im Wanderzirkus Fußball seine Heimatliebe bewahrt habe: »Ich bin Köln eigentlich immer treu geblieben.« Unter rein zoologischen Gesichtspunkten bedeutet das: aus dem Zebra wird wieder ein Geißbock. Der war immer schon Lottners Lieblingstier.

Artikel vom 10.12.2005