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Europaweite Fleisch-Warnung

Uwe Domenz belieferte allein in Deutschland 70 Betriebe in 13 Ländern

Von Ernst-Wilhelm Pape
und unseren Nachrichtenagenturen
Gelsenkirchen (WB). Der unter Gammelfleisch-Verdacht stehende Großhändler Uwe Domenz aus Gelsenkirchen hat in den Jahren 2004 und 2005 70 Betriebe in 13 Bundesländern mit knapp 350 Tonnen Fleisch beliefert.

Das geht aus einer internen Liste des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hervor. Ferner wurden knapp 200 Tonnen in einen Betrieb in Spanien, einen Betrieb nach Tschechien, zwei Betriebe in Dänemark und vier Betriebe in den Niederlanden geliefert. Die deutschen Behörden haben bereits per Schnellmeldung europaweit vor möglichem Gammelfleisch aus Deutschland gewarnt. Die Kontrollen in den einzelnen Betrieben dauern noch an.
Die Staatsanwaltschaft Essen prüft unterdessen, ob Uwe Domenz (39) auch Steuern hinterzogen hat. Ermittlungen wegen Betruges und Verstoßes gegen das Lebensmittelrecht laufen bereits.
Außer der Firma Domenz sollen nach Angaben des Agrarministeriums in Berlin die Deggendorfer Frost GmbH aus Bayern, die Hug GmbH aus Baden-Württemberg und die HKB Convenience aus Niedersachsen mit verdorbenem Fleisch gehandelt haben. Nach Ermittlungen des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums bestehen zwischen der Firma Domenz Import-Export und der Hug GmbH Geschäftsbeziehungen. In einem Kühlhaus in Melle waren mehr als 90 Tonnen verdorbenes Fleisch von beiden Firmen entdeckt werden. Nach Angaben von Ministeriumssprecher Dr. Gert Hahne, befanden sich unter der Ware der Firma Domenz auch Schlachtabfälle, die für den Verzehr nicht zugelassen sind.
Domenz wickelte nach der internen Liste des Bundesamtes für Verbraucherschutz auch sogenannte Streckengeschäfte ab. So gelangten 87,2 Tonnen Putenhackfleisch mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum zwischen dem 27. Januar 2004 und dem 7. Januar 2005 von einem dänischem Verkäufer zunächst in ein dänisches Kühlhaus. Vor dort wurden sie über eine Import-Export Firma in Kiel in das Kühlhaus der Firma Frigoropa in Gelsenkirchen eingelagert. Eingekauft wurde von Domenz auch in Brasilien (Pferdefleisch), Spanien, den Niederladen und Frankreich. Die Ware aus Frankreich, sechs Tonnen Ferkel, war am 13. Februar 2004 in ein Gefrierhaus in Hamburg eingelagert worden.
Von Domenz wurde Fleisch in folgende Bundesländer geliefert: Sachsen (1 Betrieb/ 5 Tonnen), Hamburg (19/70 Tonnen), Mecklenburg-Vorpommern (2/5 Tonnen), Schleswig-Holstein (2/2 Tonnen), Berlin (13/63 Tonnen), Hessen (3/2,2 Tonnen), Baden-Württemberg (1/2 Tonnen), Niedersachsen (8/91 Tonnen), Brandenburg (3/18 Tonnen), Nordrhein-Westfalen (14/83 Tonnen) Bayern (2/0,5 Tonnen) und Thüringen (1/1 Tonnen). Ein Betrieb in Sachsen-Anhalt erhielt lediglich Jungschafe in Form von Tierfutter.
Domenz handelt nicht nur mit Fleisch, sondern auch mit Fertigprodukten wie Hamburgern, Holzfällersteaks und Pfannengerichten.
Bundesernährungsminister Horst Seehofer (CSU) setzt unterdessen im Kampf gegen den kriminellen Handel mit verdorbenem Fleisch auch auf die Unterstützung der Fleischindustrie. Es habe »vollständige Übereinstimmung« darüber gegeben, dass »diese Machenschaften weder zu rechtfertigen noch zu tolerieren« seien, sagte Seehofer gestern nach einem Treffen mit Vertretern der Fleischbranche in Berlin. Beide Seiten seien sich einig, dass »diese Vorkommnisse beendet« werden müssten. Seehofer betonte, es sei wichtig, dass bei den Vorgängen ums »Ekelfleisch« auch die Namen der Beteiligten genannt werden.
Als Konsequenz aus den Fleischskandalen forderte der Kühlhausverband VDKL eine europaweite Anzeigepflicht für Lebensmittelunternehmen, denen unsichere Lebensmittel angeboten werden.

Artikel vom 09.12.2005