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»Die neue Opposition kann kaum ein Haar in der von ihr selbst dem Land eingebrockten Suppe finden.«

Leitartikel
Haushalt härter denn je

Blut und Tränen
in NRW


Von Reinhard Brockmann
Niemand sage, er sei nicht vorgewarnt gewesen. Aber seit gestern liegt auf dem Tisch des Landes ein Blut- und Tränenkonzept für das schmerzhafteste Spar- und Reparaturprogramm, das es zwischen Weser und Rhein je gegeben hat.
Die bittere Botschaft kommt zwar schön verpackt mit 1000 neue Lehrern und 70 Millionen Euro Beigabe für den Ganztagsunterricht daher, ist im Kern aber knallhart. Überall, wo bislang große, mittlere oder auch kleine Sümmchen in vielerlei Hände gingen, stockt der Geldfluss.
Nach dem vom schwarz-gelben Kabinett verabschiedeten Haushaltsentwurf sollen 2006 die Gesamtausgaben um 2,5 Milliarden auf 48,5 Milliarden Euro sinken. Der Rüttgers-Club will mit nur noch 5,88 Milliarden Euro für frisches Geld auskommen. Falls das gelänge, was zur Stunde keineswegs sicher ist, wären das 1,5 Milliarden Euro Neuverschuldung weniger als in diesem Jahr.
Die Fördermittel werden um - vor diesem Hintergrund - mickrige 165 Millionen Euro gekürzt, mindestens 2520 Stellen im Landesdienst gestrichen. Die Kürzungen folgen den im Wahlkampf angedrohten 20 Prozent Leistungskürzungen.
Theoretisch hat so ziemlich jeder Beteiligte in NRW eingesehen, dass die Systematik der permanent steigenden Verschuldung zwangsläufig zu fortgesetztem Verfassungsbruch per Gesetz führen muss. Eine hochkarätige Finanzkommission hat das haarklein vorgerechnet. Auch die neue Opposition konnte kaum ein Haar in der von ihr in Jahrzehnten uns allen eingebrockten Suppe finden.
Dennoch wird erst jetzt das Wehklagen, Großdemonstrieren und Vorführen von in der Tat bitteren und jeder für sich himmelschreienden Fällen so richtig beginnen. Von der Erhöhung der Elternbeiträge für Ganztagsbetreuung auf 150 Euro bis zur Einschränkung zahlreicher Beratungsleistungen reicht die Sparliste. Alle müssen unter dem »Konsolidierung« (Bestandssicherung) genannten Sparkurs leiden: Kinder- und Jugendeinrichtungen, Drogen- und Suchtberatung, Aids-Beratung, Frauenhäuser, Erziehungsberatungsstellen, Krankenhäuser und und und.
Die Beamten sollen 2006 keine Besoldungserhöhung bekommen, wobei hier das letzte Wort garantiert noch nicht gesprochen ist. Auch das Weihnachtsgeld der Beamten will das Land weiter kürzen.
Die Kabinettsmitglieder gehen mit gutem Bespiel voran und haben sich ihr Weihnachtsgeld gestrichen. Nicht nur Landesvater Rüttgers und sein wackerer Finanzminister müssen sich warm anziehen. Die Landtagsabgeordneten von CDU und FDP erleben bereits seit Wochen, wie ihnen die besser informierte Lobby einheizt.
Der Streit um den Stundenausfall, vor allem die völlig neue Aufmüpfigkeit der Gymnasien - denen nebenbei manche in Düsseldorf das Hauptversagen in Sachen Pisa zuweisen - war nur ein Vorgeschmack. Der richtige Aufstand der Verbände im ganz großen Stil kommt erst noch.

Artikel vom 09.12.2005