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»Verrückt auf Fußball«

Portugals Trainer Scolari schon der Liebling in Marienfeld

Von Wolfgang Wotke
Marienfeld (WB). Er sieht nicht nur so aus, sondern er hat das gleiche sympathische Lächeln wie der Hollywood-Schauspieler Gene Hackmann. Luiz Felipe Scolari, der portugiesische Fußballnationaltrainer, hat im Handumdrehen die Herzen des Personals im Hotel »Klosterpforte« in Marienfeld erobert. »Das ist ein Typ zum Anfassen«, schwärmt selbst Serviceleiter Dinko Muhic.

Seit vorgestern ist es offiziell: Die Portugiesen werden mehr als fünf Wochen lang während der Fußball-WM 2006 im Ostwestfälischen logieren (wir berichteten). Zwei Tage lang war der 57-jährige »Weltmeistertrainer« (2002 mit Brasilien) jetzt mit der gesamten Führungselite des portugiesischen Fußballs in Marienfeld, um letzte Details festzulegen, bevor es zur WM-Auslosung nach Leipzig per Bus-Shuttle ging.
Jeder hat es gesehen, jeder hat es gespürt: »Gene« Scolari gefällt's im »Klosterdorf«. Er schätze den Komfort, die Ruhe und Idylle, die gepflegten Rasenplätze sowie die medizinische Infrastruktur. »Eine gute Basis, um Weltmeister zu werden«, verrät der gebürtige Brasilianer. Und gestern morgen war Scolari dann irgendwie besonders gut gelaunt, ließ sich geduldig mit und ohne Ball vor dem Hotel fotografieren. Seinem neuen Freund, Hotelchef Reinhold Frie, bot er spontan an: »Für Kinder gebe ich im nächsten Jahr dann ein Sondertraining als Dankeschön für eure Gastfreundschaft.«
Immer an seiner Seite: Portugals Fußballpräsident Dr. Gilberto Madaíl und Sportdirektor Carlos Godinho. Madaíl war in den 80-er Jahren sogar der Vize-Staatspräsident von Portugal und besitzt blendende Kontakte zur internationalen Politik. So will er nun seine guten, alten Beziehungen zu den Briten nutzen, um den Gütersloher Nato-Flughafen während der WM eventuell nutzen zu können.
»Das wäre doch eine tolle Sache, wenn unsere Jungs hier starten und landen dürfen«, hofft Gilberto Madaíl. Denn: egal, wo die Portugiesen ihre WM-Spiele absolvieren müssen, ob München, Berlin oder Hamburg, sie bleiben immer in Marienfeld wohnen. Scolari: »Hier gehe ich nicht weg.«
Jorge Fonseca, FIFA-Beauftragter und Koordinator zwischen der portugiesischen Nationalmannschaft und dem Gastgeber Deutschland, hat bereits ganze Arbeit geleistet. Der 39-jährige gebürtige Portugiese (»Ich lebe seit Jahren in Osnabrück«) verhandelt gerade mit dem Sportartikelhersteller »Nike« (Marke seines Nationalteams), um einen Fan-Shop in Marienfeld zu installieren. Immerhin rechnet er mit täglich 5000 bis 6000 Fans aus Portugal in Marienfeld und bei den öffentlichen Trainingseinheiten im Gütersloher Heidewaldstadion. Fonseca: »Bei der WM in Südkorea hatten wir täglich 3000 Schlachtenbummler.«
Während der Fußball-Weltmeisterschaft werden sich laut Fonseca mehr als 120 portugiesische Journalisten in den Hotels der Umgebung einquartieren. In Portugal erscheinen täglich drei Sportzeitungen (»a bola«, »o jogo« und »record«). Sportchef Carlos Godinho lacht und sagt stolz: »Wir Portugiesen sind eben verrückt auf Fußball.«

Artikel vom 09.12.2005