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Reise nach Kuba ist ein
Ausflug in die 50er Jahre
Alte Straßenkreuzer rollen gemächlich dahin, aber: Der Mangel ist Alltag
Wie auf einer Perlenkette aufgereiht liegen die Florida Keys im Atlantik. Würde der Sockel, von dem aus die kleinen Inseln gerade über die Wasseroberfläche ragen, hinter Key West nicht tiefer ins Meer sinken, so wäre eine Straßenverbindung zwischen den USA und Kuba denkbar.
Sie würde auf der Halbinsel Hicacos auf die größte Antilleninsel treffen - und damit in eines der beliebtesten karibischen Ferienparadiese münden. Fast 23 Kilometer lang ist der Traumstrand von Varadero, locker gesäumt von Hotels. Dass dort 14 000 Menschen ihren Urlaub verbringen können, ahnt man bestenfalls aus der Luft, denn beim Anflug kreuzt man die schmale Landzunge. Die TUI, Marktführer auf Kuba, brachte 2005 mehr als 50 000 Gäste auf die Zuckerrohrinsel.
Dass Kuba sozialistisch und nach dem Zerfall der Sowjetunion weitgehend auf sich gestellt ist, merkt man dort nicht. Die Qualität der Unterkünfte ist gut, die Stromversorgung sicher - aber Kubaner trifft man dort mit Ausnahme des Hotel-Personals nicht. Seit die Regierung dem aggressiven Händlerunwesen und der Prostitution Einhalt gebot und auch den Dollar als Zweitwährung abschaffte, haben Einheimische nur noch limitierten Zugang zu der Halbinsel, die einst bewaldet und von Indianern bewohnt war.
Es waren reiche Hacienda-Besitzer aus dem benachbarten Matenzas, die damit begannen, dort Sommerhäuser zu errichten. In den 20er Jahren baute der Industrielle Irenée DuPont de Nemours als Erster seine riesige Villa Xanadu. Mit großem Gewinn veräußerte er einen Teil an Spießgesellen wie den Diktator Batista oder den Ganoven Al Capone. Die Millionäre zogen sich zurück, als Varadero zum Massenziel für sonnenhungrige Amerikaner mutierte. Nach der Revolution wurden die Villen enteignet, Varadero etablierte sich als Badeziel für Einheimische, ehe internationale Luxushotels und Veranstalter dieses Paradies entdeckten. Im »Xanadu« können heute TUI-Gäste übernachten.
Warum Kuba sich dem Tourismus geöffnet hat, erklärt Reiseleiter Rafael Soto: »Nach dem Ende der sozialistischen Ära in Europa musste Kuba auch bei seinen russischen Freunden in harten Devisen bezahlen. Wir stehen jetzt ziemlich allein da und sind uns vieler Schwierigkeiten bewusst, wollen aber unser Bildungs- und Gesundheitssystem nicht gefährden.« Die Schattenseiten dieses Systems sind allenthalben sichtbar: Der Mangel ist Alltag.
Von Varadero lassen sich interessante Ausflüge unternehmen. Überquert man Kuba, so landet man in der Schweinebucht, wo im April 1961 die Invasion von Exilkubanern, unterstützt vom US-Militär, fehlschlug. Der Versuch, Diktator Fidel Castro zu stürzen, scheiterte. Sehenswert ist auch die Stadt Matenzas, einst Hauptausfuhrhafen für Zucker und Tabak und Sklavendepot. Sklavendichter Juan Francisco Manzano sagte: »Härter als auf Jamaika ist die Fron auf Kuba, doppelt der Stunden Arbeit, der Herr noch härter, der Sklave bringt dreifachen Profit.« Mitte des vorletzten Jahrhunderts wurde im Land des grünen Goldes fast ein Viertel der Zucker-Weltproduktion geerntet. Vom Reichtum kündet nicht mehr viel - Matenzas liegt im Dornröschenschlaf und verrottet langsam. Gemächlich ist das Leben, und wer spanisch spricht, findet viele Menschen mit Zeit für ein Schwätzchen.
Das riesige Rad einer Zuckermühle vor der Kirche San Carlos erinnert an die vergangenen Zeiten. Das Gotteshaus selbst macht einen beklagenswerten Eindruck. Besser als die Fresken sind die an mehreren Stellen der Stadt sichtbaren revolutionären Wandmalereien erhalten. Am zentralen Platz, wo sich Justizpalast, Historisches Museum und Sauto-Theater befinden, fühlt man sich in einen Film der 50er Jahre zurückversetzt, wenn Oldtimer-Straßenkreuzer bedächtig dahinrollen.
Am nahe gelegenen Rio Canimar besteht die Möglichkeit, mit Motorbooten oder Kajaks flussaufwärts zu fahren. Vorbei an Mangroven, Bambus und Palmen schlängelt sich das Wasser, bis man zu einem Picknickplatz kommt, wo frischer Zuckerrohrsaft serviert wird, eine Band das unverwüstliche »Guantanamera« intoniert und man zur Gaudi der Umstehenden sogar auf einem riesigen, behäbigen Rindvieh reiten darf - Bullriding auf kubanisch. Thomas Albertsen
www.tui.de
www.cubatravel.cu

Artikel vom 17.12.2005