10.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Ärzte verletzen Friedenspflicht«

Heute im Gespräch: Prof. Dr. Otto Foit, Vertreter kommunaler Arbeitgeber

Bad Oeynhausen (WB). Als Verletzung der Friedenspflicht und damit rechtswidrig hat Prof. Dr. Otto Foit den für Dienstag angekündigten Streik der Ärzte an kommunalen Krankenhäusern bezeichnet. Foit, Verwaltungsdirektor des NRW- Herz- und Diabeteszentrums in Bad Oeynhausen, ist Bundes- und Landesvorsitzender der kommunalen Arbeitgeber im Bereich der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Mit ihm sprach Christian Althoff.
Prof. Dr. Otto Foit: Die derzeitige Bezahlung der Ärzte ist vertretbar.
30 Prozent mehr Gehalt - passt diese Forderung der Krankenhausärzte in die Zeit? Otto Foit: Die Zahl ist offenbar bewusst hoch gegriffen, um auf die mancherorts problematischen Arbeitsbedingungen der Ärzte aufmerksam zu machen. Niemand, der unser Gesundheitssystem kennt, erwartet auch nur annähernd einen solchen Tarifabschluss.
Ist denn die Bezahlung der Ärzte so schlecht? Otto Foit: Ein Krankenhausarzt mit einjähriger Berufserfahrung und etwa zehn Stunden Bereitschaftsdienst pro Woche verdient etwa 4000 Euro brutto. Diese Bezahlung scheint mir durchaus vertretbar. Man muss aber einräumen, dass sich für viele Mediziner die Arbeitsbedingungen verschlechtert haben. Mir geht es zum Beispiel gegen den Strich, dass ein Arzt etwa 30 Prozent seiner Arbeitszeit mit administrativen Aufgaben, wie dem Ausfüllen von Formularen zur Qualitätssicherung, verbringt, obwohl der Nutzen in Frage gestellt werden darf.

Und im medizinischen Bereich? Otto Foit: Ich habe großen Respekt vor der Leistung engagierter Ärzte, wie etwa bei uns im Herzzentrum. Die Patienten können immer früher entlassen werden, gleichzeitig nimmt die Zahl der Kranken wegen der längeren Lebenserwartung ständig zu - auch eine Folge der Spitzenmedizin. Doch für die Ärzte bedeutet das einen ständig steigenden Arbeitsanfall.

Können Sie das als kommunale Arbeitgeber durch Einstellung weiterer Ärzte nicht ändern?Otto Foit: Dafür fehlt leider das Geld. Weil vielerorts die Kosten durch Rationalisierungen bereits bis an die Grenze des Zumutbaren gesenkt worden sind, bin ich in Sorge, dass es jetzt durch die besonders hohe Forderung der Ärzte zu Verteilungskonflikten in der Mitarbeiterschaft kommen könnte.
Wollten die Ärzte wirklich 30 Prozent mehr haben, müsste bei anderen Berufsgruppen gekürzt werden. Schon jetzt müssen die Angehörigen unterer Lohngruppen, etwa das Reinigungspersonal und die Küchenhelfer, bei Neueinstellungen einen Verlust von 20 Prozent hinnehmen. Der reibungslose Betrieb eines Krankenhauses ist aber nur möglich, wenn das Klima stimmt, wenn im Team gearbeitet wird und jeder gerne zur Arbeit kommt. Konflikte möchte ich deshalb durch vertrauensvolle Gespräche mit den Tarifparteien verhindern.

Ist eine Lösung in Sicht?Otto Foit: Die Tarifparteien können den Konflikt nicht alleine klären. Hier ist auch die Politik gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Zum Beispiel könnte das Land durch Finanzierung einer guten Infrastruktur in den Krankenhäusern dazu beitragen, dass Arbeitsabläufe optimiert und Zeit und Geld gespart werden. Auch die Abschaffung gedeckelter Budgets ist wünschenswert und ließe mehr Spielraum für bessere Arbeitsbedingungen

Mancher Klinikarzt hat ja schon Deutschland den Rücken gekehrt. . .Otto Foit: Wobei es angesichts der enormen Ausbildungskosten eigentlich ein Skandal ist, dass es überhaupt dazu kommt. Unsere Ärzte, Schwestern und Pfleger leisten großartige Arbeit. Das muss die gesamte Gesellschaft honorieren - und nicht nur ein Tarifpartner.

Artikel vom 10.12.2005