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Steuerschraube fein justieren

Heute im Gespräch: Deutscher Handwerkspräsident Otto Kentzler

Bielefeld (WB). Die angekündigte Mehrwertsteuererhöhung verteuert auch Handwerkerrechnungen. Otto Kentzler sucht deshalb das Gespräch mit der Bundesregierung. Es geht auch um einen reduzierter Steuersatz für Handwerkerleistungen. Mit dem ZDH-Präsidenten sprach Bernhard Hertlein.

Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und damit die Lohnnebenkosten werden sinken. Das müsste Sie doch eigentlich freudig stimmen?Kentzler: Grundsätzlich ja. Nur sinkt der Nettopreis für die Handwerker-Verrechnungsstunde dadurch von 2007 an lediglich um etwa 25 Cent. Wenn die erhöhte Mehrwertsteuer draufgeschlagen wird, steigt der Preis dagegen um glatt einen Euro. So wird Schwarzarbeit weiter befördert.

Der Einzelhandel erwartet durch die angekündigte Mehrwertsteuer-Erhöhung 2007 einen Vorzieheffekt für 2006. Sie auch?Kentzler: Das sehe ich ähnlich. Aber es wäre fatal, wenn danach die Konjunktur wieder einbricht.
Sollte die Bundesregierung trotz unserer Bemühungen an der Mehrwertsteuererhöhung festhalten, muss daher auch in Deutschland über einen geringeren Mehrwertsteuersatz für Handwerkerleistungen nachgedacht werden. In Frankreich und den Niederlanden beispielsweise wird in einigen Handwerksbranchen der verringerte Steuersatz im Rahmen eines Pilotversuchs der Europäischen Union getestet. Jetzt soll der EU-Gipfel auf Vorschlag der britischen Ratspräsidentschaft grundsätzlich beschließen, dass Mitgliedsstaaten einen solchen Steuersatz einführen können. Deutschland und Dänemark verweigern bisher ihre Zustimmung. Ich meine aber, die Bundesregierung sollte sich hier einer europaweiten einheitlichen Regelung nicht verweigern.

Mit dem Auslaufen der Eigenheimzulage haben Sie wohl gerechnet?Kentzler: Ja. Das wird ja seit Jahren angekündigt. Aber es wird uns zunächst weitere 50 000 Arbeitsplätze im Bau- und Ausbaugewerbe kosten. Positiv ist, dass der Koalitionsvertrag nun ein Zuschuss-Programm für Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung vorsieht - damit könnten diese Verluste zumindest teilweise ausgeglichen werden. Damit die Klimaschutz-Maßnahme den Handwerkern im gebeutelten Bau- und Ausbaugewerbe auch wirklich nützt, fordern wir, dass sie zeitgleich mit der Abschaffung der Eigenheimzulage schon zum 1. Januar 2006 in Kraft tritt. Und sie muss sofort angewendet werden können! Es bringt nichts, wenn der Genehmigungsbescheid erst nach Monaten kommt, er aber Voraussetzung für die Zuschussgewährung ist.

Ihre Forderung, dass sich Langzeitkranke ihre Fehlzeiten auf den Urlaub anrechnen lassen müssen, ist in der Öffentlichkeit nicht gut angekommen . . .Kentzler: Vielleicht, weil mancher darüber richtete, ohne sich vorher im Detail zu informieren. Es ging mir nie um den gesetzlichen Urlaub von 20 Tagen, nur um den tariflichen Anspruch, der darüber hinausgeht. Mit den Tarifpartnern und dem Deutschen Gewerkschaftsbund bin ich dazu im Gespräch und bleibe am Thema dran. Es macht ja keinen Sinn, nur von der Politik kostendämpfende Reformen zu erwarten.
Ich meine auch, dass wir die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch einmal überdenken sollten. Dazu macht der ZDH klare Vorschläge, etwa die Absenkung auf vier Wochen. Ein kleiner Betrieb ist doch oft überfordert, wenn er sechs Wochen weiter den vollen Lohn bezahlen muss. Ich als mittelständischer Unternehmer verstehe darüber hinaus nicht, warum ich für den privaten Skiunfall meines Gesellen zur Kasse gebeten werde. S. 4: Kommentar

Artikel vom 08.12.2005