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Meier - der Umfaller des Jahres

DFB-Kontrollausschuss erreicht vorläufiges Berufsverbot für den Trainer

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Duisburg (WB). Die Einsicht kam spät, und sie kam zu spät. Über Nacht änderte sich Norbert Meier zu einem reuigen Sünder. An einer Sperre von beträchtlicher Länge dürfte das für den Trainer des MSV Duisburg aber nichts ändern. Er fehlt schon gegen Arminia Bielefeld.

Der DFB zog ihn gleich gestern auf Drängen von Horst Hilpert aus dem Verkehr. Den Kontrollausschuss-Vorsitzenden hatte bei den Bildern aus der MSV-Arena einiges Entsetzen überfallen: »Ein Trainer, der sich so verhält, kann nicht drei Tage später wieder auf der Bank sitzen.« Dem Antrag auf eine Einstweilige Verfügung auf Sperre und Unterlassung jeglicher Trainertätigkeit stimmte das DFB-Sportgericht zu. Der Verein mahnte Meier ab und verhängte eine Geldstrafe. Entlassen wird der Fußball-Lehrer zunächst nicht.
Im überkochenden Kellerderby gegen den 1. FC Köln (1:1) hatte Meier in der 82. Minute FC-Profi Albert Streit am Spielfeldrand eine Kopfnuss verpasst und sich anschließend spontan dazu entschieden, besser selbst den sterbenden Schwan zu mimen. Wie ein erschossener Western-Held sank er rücklings zu Boden. Falls Hollywood demnächst einen Zitronen-Oscar für die lausigste Schauspieler-Einlage deutscher Bundesliga-Trainer vergibt, kann der Gewinner nur Norbert Meier heißen.
Der 47 Jahre alte Hamburger benötigte einige Zeit, um Korrekturen seiner ursprünglichen Ansichten anzubringen. Dann erst stand der Umfaller des Jahres für sein Fehlverhalten ein. »Als ich die Bilder im TV gesehen habe, bin ich erschrocken. Ich hatte einen Blackout und entschuldige mich dafür«, erklärte der MSV-Coach. Telefonisch hatte er da bereits mit dem Kölner Spieler gesprochen.
Am Abend zuvor klang das noch ganz anders. Der erste Bericht vom Tatort in der sehr persönlichen Meier-Version: »Ich habe nur reingerufen: Das war Foul. Albert Streit tauchte dann vor mir auf und hat mich aufs Gröbste beleidigt. Ich bin dann hingefallen und habe mich verletzt. Das kann jeder sehen.« MSV-Chef Walter Hellmich rückte das Anlitz seines leitenden Angestellten sogar in bedrohliche Horrornähe. »Norbert Meiers Gesicht ist blutverschmiert. Er hat ein blutunterlaufenes Auge«, beschrieb der Aufsichsratvorsitzende die äußeren Erkennungszeichen des angeblich nieder gestreckten Trainers. Mehr als ein kleiner Riss unter dem rechten Auge, den Meier sich bei seiner Attacke selbst zugefügt haben muss, war aber nicht zu sehen - und ein Notarzt nicht nötig.
Schiedsrichter Manuel Gräfe schickte Streit in die Kabine und Meier auf die Tribüne. Vor allem der Trainer muss nun fürchten, dass ihn der Verband so richtig rasiert. Im Mai 2000 wurde der damalige Aachener Fußball-Lehrer Eugen Hach nach einer Tätlichkeit gegen Franklin Bitencourt (Cottbus) für drei Monate komplett still gelegt. Nicht einmal auf den Trainingsplatz durfte er noch. Wie lange die berufliche Besinnungspause für Meier dauert, entscheidet der DFB nächste Woche.
Er kann in seiner per Gericht verordneten Freizeit damit anfangen, über die besondere Form der Erdanziehung in seinem Fall nachzudenken. Es ist wohl nur ein Versprecher gewesen, als Meier sagte: »Ich habe mich fallen gelassen.« Ein trotzdem wahres Wort.

Artikel vom 08.12.2005