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Rechnungen bleiben liegen

IHK und Handwerkskammer beklagen schlechte Zahlungsmoral

Von Edgar Fels
Bielefeld (WB). Die Zahlungsmoral in Deutschland wird immer schlechter. Sie bringt auch in Ostwestfalen-Lippe viele Betriebe in finanzielle Bedrängnis. Unterdessen lässt das schon seit mehr als einem Jahr geplante Forderungssicherungsgesetz weiter auf sich warten.

»Dieses Gesetz steckt irgendwo in der parlamentarischen Beratung fest«, ärgert sich der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer OWL, Wolfgang Borgert. »Eigentlich sollte das Gesetz bereits Anfang dieses Jahres dafür sorgen, dass Handwerker schneller an ihr Geld kommen«, sagte Borgert gestern dieser Zeitung und fügte hinzu: »Solange das Gesetz nicht verabschiedet ist, sind Arbeitsplätze gefährdet.«
Firmen müssen einer aktuellen Umfrage zufolge im Schnitt 16 Tage nach dem vereinbarten Zahlungszeitpunkt warten, bis die Kunden fällige Rechnungen begleichen. Vor gut zwei Jahren waren es noch elf Tage. 2,3 Prozent ihrer Forderungen müssen die Firmen komplett abschreiben, hat das Forderungsmanagement-Unternehmen Intrum Justitia (Darmstadt) herausgefunden. »Gerade für den Mittelstand heißt das: Die wirtschaftliche Erholung steht auf tönernen Füßen«, kommentierte Michael Jung von Intrum Justitia Deutschland das Ergebnis. Die Liquidität der Unternehmen werde durch die viel zu hohen Zahlungsfristen ausgetrocknet.
Diesen Trend bestätigten gestern auch die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld und die Handwerkskammer OWL. Vor einigen Monaten hatte die Handwerksammer eine repräsentative Umfrage zum Thema Zahlungsmoral durchgeführt. Besonders schlecht schnitt dabei die öffentliche Hand ab. Jeder fünfte öffentliche Auftraggeber zahlte seine Rechnungen zu spät. Bei den gewerblichen Kunden ließen sich 17 Prozent über Gebühr Zeit und bei den privaten Auftraggebern waren es 13 Prozent.
Insgesamt würden 16 Prozent des Gesamtumsatzes der Handwerker in OWL - das seien etwa 1,8 Milliarden Euro - nicht pünktlich gezahlt. Jeder vierte Betrieb habe wegen verspäteter Zahlungen bereits einen Kredit aufnehmen müssen und jede fünfte Firma sei sogar in ihrer Existenz gefährdet, weil Banken die Kreditlinien aufgrund fehlender Sicherheiten nicht erhöhen wollten. Borgert: »An der Situation hat sich bis heute nichts verbessert.« Andererseits warnte der Chefbetriebswirt der Handwerkskammer vor Schwarzmalerei. »Immerhin zahlen 80 bis 90 Prozent der Kunden ihre Rechnungen pünktlich.«
Dass Zahlungsverzögerungen für viele Unternehmen oftmals existenzbedrohend sind, bestätigte auch die IHK Ostwestfalen. Melanie Wicht, Referatsleiterin Recht, gab noch einen anderen Punkt zu bedenken. »Das unredliche Verhalten mancher Schuldner wird durch lange Verfahrensdauern vor den Gerichten begünstigt.« Zwar verspreche das geplante Forderungssicherungsgesetz in Teilbereichen eine Verbesserung der Situation - letztlich bleibe das pünktliche Zahlen aber eine »Frage der Moral« und der Ehrenhaftigkeit des Geschäftspartners. Melanie Wicht: »Insbesondere der öffentlichen Hand kommt hierbei eine nicht zu unterschätzende Vorbildfunktion zu.«

Artikel vom 08.12.2005